Martin Prinz

Literatur
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Schreiben und Verantwortung

Literarische Befassung mit NS-Endphaseverbrechen findet sich in der österreichischen Gegenwartsliteratur etwa bei Elfriede Jelinek (über das Massaker von Rechnitz) und Elisabeth Reichart (über die „Mühlviertler Menschenhatz“). Martin Prinz fügt dieser Aufarbeitung mit seinem Tatsachenroman über ein nationalsozialistisches Standgericht im niederösterreichischen Semmering-Gebiet mit Nachdruck ein Kapitel hinzu.

Gemäß dem vorangestellten Zitat von Ilse Aichinger („Was wir einsetzen können, ist Nüchternheit“) verzichtet der Autor auf romanhafte Inszenierung und lässt die Quellen selbst sprechen: die Gedächtnisniederschrift eines Gendarmen im Widerstand, Zeugenaussagen im Rahmen des drei Jahre später einberufenen Volksgerichts, Bitt- und Gnadengesuche der drei Haupttäter, die letztlich hingerichtet werden. Das vielstimmige, aus kurzen Teilstücken arrangierte Material wird dabei lediglich ergänzt von poetischen Passagen in der Du-Form („Anmaßung, Ahnung oder notwendigerweise beides?“) als Anrede der Opfer.

Der Versuch des Autors, im Verzicht auf Fiktionalisierung dem historischen Geschehen gerecht zu werden, überzeugt literarisch genauso wie die menschliche Haltung, hinter die Ereignisse zurückzutreten, um von ihnen zu erzählen. Der Roman Die letzten Tage bleibt als literarisches Dokument auch über den 80. Jahrestag der Ereignisse hinaus.

Johannes Tröndle

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2025