Wolfgang Murnberger

Medienkunst
Künstlerischer Spielfilm
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Ehrlichkeit in Bildsprache und Dialog

«Ich weiß selber nicht, wer der wahre Murnberger ist», sagt Wolfgang Murnberger über sich. Der in Niederösterreich geborene und lebende Regisseur erwies sich in seiner bisherigen filmischen Laufbahn durch ein breites Spektrum an Geschichten und ihre Ausgestaltungen als genauer Beobachter. Seine Herangehensweise an Filmstoffe ist vielgestaltig, und doch: Seine Handschrift ist in jedem seiner Filme klar erkennbar, sein genauer, stimmiger Blick auf österreichische Eigenheiten brachte eine Reihe bemerkenswerter Filme hervor. Murnberger hat keine Berührungsängste mit dem Österreichischen, mit den Nuancen dieses Landes, die er nicht erst in den Verfilmungen der «Brenner»Romane von Wolf Haas detailliert herausarbeitete. Schon in seinem ersten Film, «Himmel oder Hölle» (1990), tauchte er tief in die Verwurzelung österreichischer Identität ein. Diese Souvenirsammlung reflektiert auf Murnbergers eigene Kindheit, zeigt eine Dorfheimat abseits romantisierter Folklore. Auch «Ich gelobe» (1994) ist ein stark autobiografischer Film, in den Wolfgang Murnberger seine Erinnerungen ans Bundesheer einfließen ließ. Das scheinbar unspektakuläre Leben als Präsenzdiener an der Ostgrenze Österreichs kontrastierte der Regisseur mit den umso ausschweifenderen Gedanken seines Helden. «Man muss sich mit einem Film auch etwas erzählen trauen, was eigentlich schmerzt», sagt Murnberger. Es ist diese Ehrlichkeit in Bildsprache und Dialog, die seine Filme unverwechselbar und österreichisch macht. Sie wirken trotz einer künstlich hergestellten Mise en Scène sehr authentisch, auch weil Murnberger seine Figuren gern im Dialekt sprechen lässt und dadurch sehr tief ins Innere seiner Protagonisten vordringt. «Wenn man sich nicht genau auskennt mit dem, was man erzählt, passiert es, dass man an der Oberfläche bleibt», sagt Murnberger. Der Regisseur will seine Zuschauer berühren, und das geht nur, wenn man in Charaktere eindringt, die man gut kennt. Auch wenn Murnberger für seine ersten Filme vor allem aus sich selbst schöpfte, sind seine späteren Arbeiten ebenso geprägt von Figuren, die er sich zu eigen machte. Mit «Komm, süßer Tod» (2000), «Silentium» (2004) und «Der Knochenmann» (2009) perfektionierte Murnberger diese Stimmigkeit fortlaufend; die Vorlagen von Wolf Haas setzte er mit einem großen Gespür für heimisches Lokalkolorit um, die Gebrochenheit seiner Hauptfigur Brenner, gespielt von Josef Hader, spiegelte sich im Setting der Schauplätze wider. Es ist kein unkritisches Bild seiner Heimat, das Murnberger hier zeichnet, aber es zeugt zugleich von einer großen Liebe für das Land und – vor allem – für seine Menschen. Murnberger verlässt sich dabei stets auf sein Gefühl, weniger auf akribische Vorbereitungen. Er will seine Arbeit nicht vorab schon totkonstruieren, sondern beim Dreh überrascht werden. Daraus entstehen seine authentischen Figuren. Aber auch Zweifel: «Der Zweifel ist geblieben, egal, was ich mache», sagt Murnberger. Eben jenes Gefühl für Zwischentöne ist es, das sogar seine Auftragsarbeiten für das Fernsehen angenehm von TV-Dutzendware abhebt. Murnberger schaffte es, mit seinen Filmen ein großes Publikum zu erreichen, ohne dabei je seinen künstlerischen Auftrag zu kompromittieren. Seine Bildsprache agiert, unabhängig vom Aufführungskontext, auf internationalem Niveau und reizt differenziert die mediale Vielfalt des Mediums aus. Der «wahre» Murnberger dreht Filme, die mühelos unangestrengt wirken und zugleich die Handschrift eines «auteur» tragen. Sie bieten Freude und Spannung, ohne seicht zu sein. Sie zeigen Menschen und Milieus, ohne Klischees zu transportieren. Sie sind mutig und beschönigen nichts. Ihr künstlerischer und kommerzieller Erfolg zeigt: Wolfgang Murnberger müsste nicht zweifeln.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2010