Weben als Metapher für das Leben
Die künstlerischen Anfänge von Franka Lechner (*1944) reichen in die späten 1960er Jahre zurück. Sie studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste bei Sergius Pauser und besuchte den Abendakt bei Herbert Boeckl. Zunächst konzentrierte sie sich auf die Malerei und Collagen auf Papier und experimentierte mit textilem Material. Ab Mitte der 1970er Jahre rücken neben ihrem malerischen und zeichnerischen Œuvre die am Hochwebstuhl hergestellten Bildteppiche in den Vordergrund. Ab 1982 gesellt sich die Lyrik hinzu. Der künstlerische Eigenwert der unterschiedlichen Genres ist Franka Lechner wichtig, dennoch berühren und befruchten sich die verschiedenen Werkserien gegenseitig. Über die Jahrzehnte sind so „Gewebte Gedichte und gedichtete Gewebe“ entstanden. Franka Lechner empfindet das Weben „als energetischen, ordnenden, strukturierenden Prozess mit
meditativem Charakter“.
So reicht der Faden, der den Stoff bildet, „tief in das Unterbewusstsein, umschließt Zeit und Raum, Gefühltes und Gedachtes im Dialog mit dem Innen und Außen“. Waren die frühen Tapisserien von geometrischen Formen und kraftvollen Konturen bestimmt, so überwiegen in den späteren Bildteppichen offene Farbkompositionen mit frei gesetzten Linien und fein nuancierten Farbübergängen. In ihnen verbindet sich Stärke und Sensibilität im Sinne einer von einem inneren Rhythmus getragenen Harmonie. Der Vorgang des Webens ist ein Vernetzen von der Linie zur Fläche. Schicht um Schicht werden die Schussfäden mit den Kettfäden verbunden, durch das Ineinander und Miteinander des Fadenmaterials entsteht ein Werk aus Stoff und ein strukturiertes Bild von farbiger und raumbezogener Qualität. Grundlage für den Webprozess bilden die Entwürfe und Skizzen der Künstlerin in Form von kleinen Buntstiftzeichnungen. Die Bild- und Farbkonzepte müssen vorab genau festgelegt werden, da Korrekturen des Gewebten kaum möglich sind. Formal bevorzugt Franka Lechner für ihre Gobelins strenge äußere Formen, wie das hochformatige Rechteck oder das Kreuz.
Sie teilt ihre Werke auch in Diptychen oder Triptychen, deren Ausdruck stark von der Dominanz eines Farbklanges bestimmt wird. Die Künstlerin wird zurecht als Virtuosin der Farbe beschrieben, ihre Bildteppiche bestehen aus subtil orchestrierten Farbräumen voller Poesie und kontemplativer Anmutung. „Aus den geduldigen Fingern rinnt der Wollfaden“, schreibt Franka Lechner und spielt damit auf die Zeit an, die einem Teppich eingeschrieben ist. Mehrere Monate dauert es, bis ein Stück fertig ist. Die Künstlerin legt großen Wert darauf, alle handwerklichen Vorgänge des Webens selbst auszuführen. Neben dem Färben der Wolle gehören sowohl das Spannen der senkrechten Kettfäden in den Webstuhl als auch der zeitaufwändige Vorgang des Webens dazu. Nur so ist ein Werk authentisch. Vor mehr als fünfzig Jahren hat Franka Lechner mit ihrer kontinuierlichen Ausstellungstätigkeit begonnen.
Ihre Werke sind in bedeutenden Sammlungen im In- und Ausland vertreten. 1989 wurde sie mit dem Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur geehrt, 1999 erhielt sie die Ehrenmedaille der Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs. Neben ihrer eigenen künstlerischen Arbeit hat Franka Lechner auch Ausstellungen zeitgenössischer Textilkunst organisiert, um Kunstschaffende zu unterstützen, und so zu Imagegewinn und Wertschätzung dieser Kunstgattung beigetragen. Seit mehr als fünfzig Jahren gilt ihr ungeteiltes Interesse den künstlerischen Ausdrucksformen im Bereich der Webkunst, der Malerei und der Lyrik. Ihr vielfältiges Werk ist Ausdruck einer künstlerischen Haltung, der sie so beständig und souverän wie kaum eine andere Künstlerin treu geblieben ist. Franka Lechner hat im Bereich der Textilkunst kontinuierlich gegen den Zeitgeist gearbeitet und die Tradition der Webkunst stets hochgehalten, auch wenn sie sich im Kontext der internationalen bildenden Kunst kaum manifestieren konnte. Die Jury würdigt damit ein konsequent verfolgtes künstlerisches Lebenswerk, das sicherlich diejenigen erfreuen wird, die sich für die leisen Töne mehr interessieren als für den letzten Schrei des Kunstmarkts. Mit ihrem vielfältigen Œuvre nimmt Franka Lechner in der österreichischen Kunst eine singuläre und preiswürdige Position ein.