Adaptierung Nordbastei Stift Melk – ein Maximum durch Reduktion
Das weithin sichtbare Benediktinerstift Melk – ein Hauptwerk des Barock von europäischem Rang – erhebt sich auf einem nach Westen hin steil abfallenden Felsplateau. Ostseitig flankieren zwei mächtige Basteien den Torbau, der die monumentale, mehrhöfige Stiftsanlage mit dominanter Stiftskirche abschließt.
Im Jahr 1717 erfolgte – in Verbindung mit der Planung des neuen Torbaus – nach Plänen Jakob Prandtauers die Errichtung der heutigen Nordbastei als Pendant zu dem bereits um die Mitte des 17. Jahrhunderts erbauten, der Stadt zugewandten südlichen Festungsbau.
Seit der 2009 bis 2011 erfolgten Restaurierung und der damit einhergehenden Neunutzung der Räumlichkeiten der Nordbastei dient das einstige den Zugang sperrende Bollwerk nunmehr als Bindeglied zwischen der Stiftsanlage und dem nördlich von ihr gelegenen Stiftspark.
Bereits im Jahr 2005 wurde das Büro Wehdorn vom Stift mit einer Machbarkeitsstudie in Hinblick auf eine zeitgemäße Nutzung der einst der Symmetrie sowie der Sicherheit wegen errichteten Bastei beauftragt. Dieser zufolge beherbergt die Nordbastei heute ein Besucherfoyer, Ausstellungsflächen im Obergeschoß sowie eine Aussichtsterrasse.
Im Oktober 2009 wurde mit den Baumaßnahmen begonnen, wobei die Erneuerung von innen aus erfolgte. Die Außenhülle der erst 1736 unter Joseph Munggenast fertiggestellten Nordbastei blieb bis auf die Schaffung neuer bzw. größerer Eingänge unberührt.
Durch die Entfernung der Gewölbe im Zentrum der Bastei und die transparente Konstruktion des neuen Ausgangselements auf die Dachterrasse wurde ein von Tageslicht durchfluteter, atriumartiger Zentralraum geschaffen.
Die ringförmig den Zentralraum umschließenden gewölbten Räumlichkeiten beherbergen im Erdgeschoß das Besucherfoyer mit Shop und Stiftspforte sowie im ersten Obergeschoß Ausstellungsflächen, in denen das «Wachaulabor» untergebracht ist.
Der den Grundriss der Bastei in verkleinerter Form wieder aufnehmende Dachaufbau ermöglicht den Ausgang auf die Dachterrasse, die einen beeindruckenden Ausblick auf die Stiftsanlage sowie die Um gebung gewährt. Eine Freitreppe ermöglicht den direkten Zugang in den nördlich anschließenden Stiftspark.
Die Minimierung der Eingriffe in die historische Bausubstanz insbesondere an der Außenhaut, die Schaffung des lichtdurchfluteten Zentralraums im Inneren und die damit verbundene Erschließungsmöglichkeit aller Ebenen sowie der bis ins Detail demonstrierte Qualitätsanspruch zeugen vom hohen Standard des Projekts. Ferner entspricht die klare Trennung von Alt und Neu, die konsequent sowohl in der Formensprache als auch in der Material sowie Farbwahl umgesetzt wurde, den Intentionen einer zeitgemäßen Denkmalpflege. Die Güte des Sanierungsprojekts zeigt sich letztlich auch in der Reduktion der verwendeten Materialien und der bereits erwähnten durchgängig hohen Qualität in der handwerklichen Ausführung, die sich etwa bei Schalung des Personenaufzuges bzw. der Stiege oder dem Terrazzoboden andeutet.
Für diesen sensiblen Umgang mit denkmalgeschützter Substanz sowie für die klare, zeitgemäße und reduzierte Formensprache der neuen Elemente ist hier insbesondere Architekt Christian Wöhrer sowie dem Stift Melk als Bauherrn zu danken.
Die Revitalisierung der Nordbastei steht in einer Reihe von Projekten, die von Wehdorn Architekten in den letzten Jahren für das Stift Melk umgesetzt wurden. Vom hohen Qualitätsanspruch des Büros Wehdorn und dessen Verständnis im Umgang mit denkmalgeschützter Altsubstanz zeugen ferner neben vielen Projekten im In- und Ausland auch zahlreiche Beispiele, die in Niederösterreich in den letzten Jahrzehnten realisiert wurden. Auszugsweise seien hier der Umbau der ehemaligen Tabakfabrik in Krems-Stein, die denkmalpflegerische Sanierung von Schloss Hof oder die Revitalisierung der Burg Rapottenstein genannt.
Manfred Wehdorn verfügt über lange Erfahrung im Umgang mit historischer Bausubstanz, die er dankenswerterweise an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber im Zuge seiner Lehrtätigkeit auch vielen angehenden Architektinnen und Architekten weitergibt. Somit ermöglicht Wehdorn, der auf diesem Feld eine weit über das Land hinausreichende Reputation genießt, auch seinem Team – wie etwa bei den Projekten für das Stift Melk –, Einfluss auf das Gelingen der einzelnen Aufgabenstellungen zu nehmen.