Unlimited History
Wenn Ramesch Daha ein Projekt angeht, begibt sie sich meist auf eine langjährige Welt- und Zeitreise. Ein Ziel ist zwar immer avisiert, doch die Wege dorthin sind verzweigt und führen oft an ferne Orte und in andere Zeiten.
So auch bei Unlimited History: Die Reise beginnt auf einer geschichtsträchtigen Straße in Teheran – dem Geburtsort der Künstlerin. Bald jedoch führt sie, dank gefundener Aufzeichnungen ihrer iranischen Großmutter über den 1943 zwischen Churchill, Roosevelt und Stalin beschlossenen Anti-Hitler-Pakt, auf die transiranische Eisenbahn. Damit erschließt sich die hier kaum bekannte Bedeutung Persiens im Zweiten Weltkrieg – zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion.
Zeitspringend führt die Reise nach Hintersdorf in Niederösterreich sowie nach Wien, wo Ramesch Daha 1978 mit ihrer Familie – emigriert vor der Islamischen Revolution – landete. Von Wien aus sollte sie später Kunst studieren, nicht ohne zuvor Studienaufenthalte in Vancouver und London absolviert zu haben.
Von ihren projektorientierten Kunstreisen durch reale und digitale Räume bringt Daha viele Funde, Dokumente und eigene Aufzeichnungen mit. Diese werden in einem „Research Diary“ gesammelt und anschließend ins Kunstformat übersetzt. Das kann beeindruckende Dimensionen annehmen, wie etwa bei 6.4.45, einem über 100 Meter langen Wandbild auf der Außenmauer der Justizanstalt Krems-Stein. Seit 2018 erinnert dieses Werk an jene Insass*innen, die hier kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs von fanatischen Nazis ermordet wurden.
Dahas sogenannte „(Be)deutungscollagen“ eröffnen den Betrachter*innen unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten von Geschichte und verknüpfen sie mit der Gegenwart. In Unlimited History etwa schreibt der Stiefgroßvater der Künstlerin im Juni 1945:
„Es darf nicht sein, dass die Welt von einigen politischen Größenwahnsinnigen in Schrecken versetzt und der Vernichtung preisgegeben wird, nur um einigen Zehntausenden die Goldsäcke zu sichern und zu vermehren!“
Die Arbeit zeigt, wie Geschichte, persönliche Erinnerung und künstlerische Interpretation in Dahas Werk zu einem vielschichtigen, nachdenklich machenden Ganzen verschmelzen.