Adolf Krischanitz

Architektur

Mit strategischen Bewusstsein

Adolf Krischanitz, im salzburgischen Pongau geboren, fachlich ausgebildet in Linz und Wien, hat seine künstlerische Fokussierung im revoltierenden Klima der späten sechziger Jahre an der Wiener TU erfahren. Die Gruppe MISSING LINK (Angela Hareiter, Otto Kapfinger und Adolf Krischanitz) hat sich aber, abgesehen von aktionistischen Ansätzen, schon früh von den Tendenzen der anderen Gruppen wie· HAUS-RUCKER-CO, COOP HIMMELB(L)AU, ZÜND UP oder SALZ DER ERDE abgegrenzt, indem sie sich auch kultur- und architekturhistorischen Studien zuwandte (,,Wiener Typen“, ,,Pavillons der Wiener Stadtbahn“). Somit wurde die Arbeit des Architekten schon sehr früh in einer kritisch analysierten Wiener Tradition verankert. Eine Berufung an die Hochschule der Künste in Berlin eröffnete aber jenes polare Spannungsfeld zwischen zwei Großstädten, von dem aus er die heutige internationale Entwurfstätigkeit entwickeln konnte. KUNST UND ARCHITEKTUR Krischanitz’s Werk ist, sehr verkürzt ausgedrückt, eigentlich in polaren Wirkungsfeldern und dialektischen Positionen angelegt: In einer Art Doppelstrategie oder dialogischem Prinzip wirken Theorie und Praxis ineinander, Konzeption und Rezeption sind bewusste Instrumente, eine Art Wechselwirkung von stringenter Verwirklichung und kontemplativer Verarbeitung. Neue Sichtweisen entstehen im Aufbrechen von Konventionen, lineare Entwicklungen machen sich verdächtig, „Fortschritt“ artikuliert sichin simultanen, auch kontroversiellen Abläufen in unterschiedliche Richtungen, also eher in „thematischen Ringen“ als linear. Krischanitz’s Denken „umkreist“ vom Umfeld der Kunst her das Thema Architektur, und die Architektur bleibt mit künstlerischen Fragestellungen konfrontiert. Die permanente Beschäftigung mit gegenwärtiger Kunst bezieht also aus einem sensibleren Umfeld die Fragestellungen der Gegenwart. Aus dieser Grundhaltung ist auch das breite Tätigkeitsfeld zu erklären: Als Architekt in der „klassischen Rolle“ vom Entwerfer von Möbeln, Lampen bis zum Entwickler neuer intelligenter städtebaulicher Strukturen. Der Architekt als aktive Kraft in der Gesellschaft (Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Architektur, Präsident der Wiener Secession), als Publizist und Ausstellungsmacher und schließlich als Lehrer und Theoretiker. WIENER WIRKEN Adolf Krischanitz‘ Bauten haben immer exemplarischen, wenn nicht prototypischen Charakter: Im Einfamilienhaus bis zur Siedlung sind nicht nur die moderne Tradition der Wiener Wohnkultur (von Loos bis Frank) präsent, sondern auch der aktuelle Dialog mit den Entwicklungen „der Zeit“ . Die Liste der Arbeiten ist lang: Häuser in Pötzleinsdorf und Salmannsdorf, Wohnanlage Forellenweg und Fondachhof Salzburg, Siedlung Pilotengasse (mit Herzog & De Meuron und Steidle), Appartementhaus Engilgasse, Reihenhäuser Dernjacgasse, sowie Kagran-West und Mustersiedlung Hadersdorf (alle Wien). NEUE FREIHEITEN Im engen Zusammenhang mit den Wohnüberbauungen und Siedlungen stehen die städtebaulichen Konzepte, wie etwa der Donau-City Masterplan, das städtebauliche Gutachten von Eichstätt, die Bebauungsstudie Friedrichshof (mit dem Haus Sped) oder der Masterplan „neues bauen am horn“ in Weimar, um nur die wichtigsten zu nennen. Allen diesen Studien ist eigen, dass sie, wenn nicht eine außergewöhnliche Fragestellung (wie „aufder Platte“) vorhanden ist, gewissermaßen den Versuch unternehmen, aus der „Alltagssprache“ der Bebauungsformen, im Sinne einer kritischen Neubewertung, eine Art neue Grammatik zu entwickeln, die das Sinnvolle der Konventionen bewahrt und methodisch neu aufbereitet, so dass, auf einer höheren Bewusstseinsebene, neue Freiheiten und Qualitäten entstehen. UNVERWECHSELBARE LÖSUNGEN In der beachtlichen Reihe größerer Bauten stehen meist zwei Themen der Auseinandersetzung im Zentrum des Blickfeldes: Die Bauaufgabe als inhaltliche Formulierung und das reale Umfeld im Sinne eines aktiven Eingriffs, also dessen Neudefinition. Das Geschäftshaus am Schillerpark in Linz sowie das Büro- und Geschäftshaus Steirerhof Graz, einst als provokante Eingriffe empfunden, sind heute Konstanten eines altstädtischen Ensembles. Die „Neue Welt Schule“ im Wiener Prater und die Lauder-Chabad Schule im Wiener Augarten sind neben ihrem organisatorischen Pragmatismus sensible Auseinandersetzung mit besonderen kulturellen und gesellschaftlichen Situationen. Vom Eisenbahnmuseum in Schwarzach im Pongau, dem Wohn- und Geschäftshaus Theresienhöhe in München, sowie vom Geschäftshaus Ankerhof in Mariahilf (Wien) kann man ähnliche prototypische und unverwechselbare Lösungen erwarten. KRITISCHE DENKMALPFLEGE Ohne mit der fragmentierten Aufzählung der zahlreichen Arbeiten und Tätigkeitsbereiche weiter fortzufahren, sei noch an die Versuche einer „kritischen Denkmalpflege“, an die Wiederinstandsetzung und partielle Korrektur der Wiener Werkbundsiedlung oder an die Restaurierung und Adaptierung der Secession (mit Otto Kapfinger) erinnert. Oder an die lange Reihe der „Pavillons“, die sich für Krischanitz zu einem großen Thema temporären Bauens entwickelt haben (Traisenpavillon St. Pölten, Kunsthalle im Messepalast, Kunsthalle I und II am Karlsplatz, Österreich-Pavillon bei der Frankfurter Buchmesse u.a.m.). Nicht zuletzt an die essentiellen Umbauten und Innenausstattungen, etwa die Wiener Hauptpost, das ORF-Radiocafe oder der Großauftrag, das Seminarzentrum der Schweizer Rückversicherung in Rüschlikon (mit Hermann Czech), gar nicht zu reden von den zahlreichen Möbelentwürfen, die auch immer wieder im Zusammenhang mit Bauaufgaben (etwa der Wiener Secession) entwickelt wurden. BERLIN – WIEN – WACHAU So ist es vielleicht kein Zufall, dass nach den Arbeiten in Niederösterreich in einer wohl mehr als anstrengenden Existenz zwischen Wien und Berlin, sich Adolf Krischanitz im Schatten von Göttweig und am Rande von Weingärten in einer ebenso „kontemplativen“ wie den Ort auslotenden „Datscha“ niedergelassen hat. Zwischen Wien und Berlin kann man eigentlich nur in der Wachau wohnen.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2002