Alte Textilfabrik
Um 1980 sah sich Albert Hackl vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt. Die beiden letzten leer stehenden Fabrikgebäude der ehemaligen k. k. priv. Modewarenfabrik Hackl & Söhne, die 1867 in Brühl bei Weitra die Produktion aufgenommen hatte, konnten nur erhalten werden, wenn sich eine neue Nutzung eröffnete. Seit der Stilllegung der Textilfabrik 1906 waren die Fabrikgebäude an wechselnde Unternehmen verpachtet worden, sie dienten als Flüchtlings- und Gefangenenunterkünfte: Die baufällig gewordenen Gebäude stellten langfristig keine attraktiven Unternehmensstandorte dar. Der Eigentümer befand sich daher in einer fast aussichtslos anmutenden Situation: Allein die Erhaltung der baufällig gewordenen Gebäude, der Wehr- und Wasserkraftanlagen erforderte ununterbrochene Sanierungsinvestitionen. Dies reichte andererseits nicht aus, um Mieter und Käufer zu finden. Einige Gebäude, die erst vor Kurzem renoviert worden waren, konnten in den 1970er-Jahren nicht länger erhalten werden. Der einst schmucke, um das Herrenhaus gruppierte Fabrikkomplex befand sich in desolatem Zustand. Das sogenannte Stöckl, in dem ursprünglich ein Hammerwerk untergebracht war, stürzte im Frühjahr 1974 gemeinsam mit einem Teil des Werkkanals ein. Das große Fabrikgebäude an der Lainsitz wurde 1976 abgetragen; es folgte 1979 der Färbereitrakt mit dem Schlot. Albert Hackl, der als Universitätsprofessor an der Technischen Universität arbeitete, setzte alle Hebel in Bewegung, um Unterstützung für die Einrichtung eines Museums zu finden. Er führte Gespräche mit der Stadtgemeinde, dem Land Niederösterreich, dem Wissenschaftsministerium und dem Bundesdenkmalamt. Darüber hinaus knüpfte er Kontakte zu Wissenschaftler(inne)n, Heimatforscher(inne)n und Museumsfachleuten. Das Museum Alte Textilfabrik wurde 1990 eröffnet. Es greift Themen auf, die über das Geschehen am Standort hinausgehen und Firma, Familie und Region im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kontext der Habsburgermonarchie verankern. Damit stellt das Museum Alte Textilfabrik einen Reflexionsort dar, der den Besucher nicht einfach in die damalige Zeit versetzt: Die Aufbereitung entlang wissenschaftlicher Erkenntnisse ermöglicht die Betrachtung aus der Distanz und die Möglichkeit von Einordnung und Vergleich. Albert Hackl machte seine Karriere als Verfahrenstechniker auf einem ganz anderen Gebiet: Die Pflege des familiären Anwesens und der Familiensammlungen begleitete ihn zeit seines Lebens. Durch seine unermüdlichen Aktivitäten trug er zur Bewahrung der Anlagen und Sammlungsbestände bei. Er bewirkte, dass sie der Öffentlichkeit als Museum sowie als Archiv zugänglich gemacht wurden. Veranstaltungen, jährliche Sonderausstellungen, Kooperationen mit anderen Museen und wissenschaftlichen Einrichtungen sowie umsichtige und vorausplanende Organisation gewährleisteten, dass das Museum die Herausforderung einer explosionsartigen Vermehrung des regionalen Angebots an Museen und Sammlungen bisher erfolgreich meisterte. Die Alte Textilfabrik etablierte sich als Ort der Begegnung, der Wissens- und Kulturvermittlung im oberen Waldviertel. Albert Hackl fungierte dabei als Initiator und als Drehscheibe, der Geldgeber, Partner und wissenschaftliche Expertise mobilisierte sowie die Vernetzung mit anderen musealen Einrichtungen, etwa im Rahmen der Waldviertler Textilstraße, vorantrieb. Neben den Ausstellungsstücken in der Alten Textilfabrik und dem Firmen- und Familienarchiv besitzt Albert Hackl einen großen Fundus an Gegenständen, die ihm seine der Sammelleidenschaft zugeneigten Vorfahren hinterließen. Er pflegt und bearbeitet diese mit großer Leidenschaft gemeinsam mit seiner Frau. Die Räumlichkeiten des ehemaligen Herrenhauses, die das Ehepaar Hackl bewohnt, stellen gewissermaßen eine Ergänzung zum Museum dar, die immer wieder mit großer Gastfreundschaft für Gäste geöffnet werden. Gemeinsam mit dem Archiv bilden die dort befindlichen Sammlungen einen unerschöpflichen Fundus für zukünftige Ausstellungen. Sie harren zudem der weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung.