Alexander Wagendristel

Musik

Seit früher Kindheit mit Musik verbunden

Dass er einmal einen künstlerischen Beruf ergreifen würde, das war dem am 23. 3. 1965 in Wien geborenen Alexander Wagendristel schon im zarten Kindesalter klar. Nicht klar war er sich darüber, welcher Sparte er sich zuwenden sollte: der Schriftstellerei, der Malerei oder der Komposition. Die Musik blieb schließlich die Siegerin; das Interesse an Literatur und bildender Kunst hat aber deswegen niemals nachgelassen.
Die musikalische Entwicklung vollzog sich folgerichtig: im Alter von 3 Jahren erlebte er vor dem Fernsehschirm eine Aufführung des 3. Klavierkonzertes von Beethoven, welches in dem Kind einen tiefen Eindruck hinterließ; es folgten erste Kompositionsversuche mit 4 Jahren, mit 6 Jahren begann er Blockflöte, mit 9 Jahren Querflöte zu spielen, wobei er das große Glück hatte, in Robert Wolf einen ausgezeichneten Lehrer zu finden, was ja gerade für einen Anfänger von unschätzbarem Wert ist. In der Schule ärgerte er seine Lehrer insofern, als er sich mehr mit Notenblättern als mit Schulheften beschäftigte.
Das Jahrzehnt zwischen 1980 und 1990 war dem Studium an der Wiener Musikhochschule gewidmet, wobei Wagendristel zuerst das Fach Flöte bei Prof. Dr. Werner Tripp belegte; sein Rüstzeug für die Komposition holte er sich gleich bei drei Lehrern, nämlich bei Prof. Dr. Friedrich Neumann, bei Prof. Heinrich Gattermeyer und schließlich bei Prof. Erich Urbanner. Beide Studien wurden übrigens mit Auszeichnung abgeschlossen.
Ein einschneidendes Erlebnis war der Besuch eines Darmstädter Ferienkurses für Neue Musik: das ist allerdings nicht im Sinne der dort vertretenen Doktrin zu verstehen, sondern die Wirkung war eher gegenteilig, denn seit diesem Erlebnis begann der junge Komponist sich eingehend mit der Tonalitätsfrage zu beschäftigen. Die Anregungen für seine Kompositionen bezieht er übrigens weniger aus der musikalischen Sphäre als vielmehr aus der bildenden Kunst, und hier vor allem aus dem Surrealismus. Was andererseits wiederum sehr verständlich erscheint, wenn man bedenkt, dass er als Flötist des Orchesters der vereinigten Bühnen Wien, dem er seit drei Jahren angehört (auch ein Komponist muss von irgend etwas existieren können!), an die 300mal das „Phantom der Oper“ gespielt hat. Daneben entfaltet Wagendristel aber auch eine rege Konzerttätigkeit als Mitglied des ORFEO FLUTE QUARTETTs (immerhin wurde er als Flötist bei den ,,Jugend musiziert-Wettbewerben“ mit einigen 1. Preisen ausgezeichnet!), wobei er auch immer wieder eigene Werke interpretierte. Diese Tätigkeit führte ihn nicht nur in einige europäische Länder, sondern auch in die USA, nach Taiwan und nach Ägypten.
Zählen wir die wichtigsten Werke auf: ein Klaviertrio, eine Klaviersonate, die 1. Sinfonie, das 2. Streichquartett, die Komposition ,,Eisblumen“, die Kantate ,,De profundis“, ,,Und“ für Saxophonquartett, SUONI REALI für 15 Solostreicher sowie die gemeinsam mit Ch. Minkovitsch und Lukas Ligeti geschaffene elektroakustische Komposition CIRCULAR FRAMEWORK. Nicht vergessen zu erwähnen darf man den 1. Preis beim Kompositionswettbewerb ,,Neue Hausmusik“ in Klosterneuburg und den Förderungspreis der Stadt Wien 1989.
Spricht man den in Perchtoldsdorf lebenden Komponisten auf seine Vorlieben und Abneigungen an, so bekommt man im ersteren Fall die Antwort: die großen Komponisten aller Epochen, und zwar bis ins Mittelalter zurückreichend; die Abneigungen werden eher zurückhaltend formuliert, z. B. italienische Opern . . . Im außermusikalischen Bereich bekennt er sich zu dem Grundsatz ,,No sports“, bezeichnet sich aber als einen sehr naturverbundenen Menschen, der leider aus Zeitmangel diese Naturverbundenheit nicht so richtig ausleben kann. Lassen wir zum Schluss den Komponisten mit ein paar persönlichen Gedanken zur Musik und zur Komposition selbst zu Wort kommen:
„Der zeitgenössische Komponist und das Publikum haben heute keine Wahl, als einander auf halbem Weg entgegenzukommen. Das bedeutet aber nicht, dass ein Komponist auf Kosten seiner persönlichen Aussage Kompromisse eingehen sollte. Ganz im Gegenteil. Verständlichkeit ist auch weder eine Stil- oder Materialfrage noch eine Frage der Einfachheit oder Komplexität, sondern eine Frage der Klarheit. Ist die Aussage klar genug, (dabei kann sie trotzdem vielschichtig sein), wird ein offenes Publikum sich zurechtfinden und das Werk verstehen können.
Ich persönlich beschäftige mich zumeist damit, mit einfachem, oft elementarem Material relativ komplexe Strukturen zu erzeugen, die dennoch möglichst transparent und durchhörbar gestaltet sind. Dabei bediene ich mich zumeist neben eigenen Strukturideen oftmals modifiziert der Mittel. der Nachkriegsavantgarde, ebenso aber auch mittelalterlicher Kompositionstechniken und Satzweisen der außermitteleuropäischen Folklore. Ebenso finden Elemente der U-Musik Verwendung. Tonalität und Wiederholung sind für mich Naturgesetze, es gibt bei ihrer Behandlung noch genug persönlichen Spielraum.“

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1990