Alois Mosbacher

Bildende Kunst
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Euphorie für die Malerei

Schon für seine eigenwillige Retrospektive im Museum moderner Kunst in Wien (1997) hatte Alois Mosbacher seine Leinwände in einem niederösterreichischen Wäldchen aufgestellt. Um dort, ganz im Sinne der Impressionisten und der Schule von Barbizon, en plein air zu malen. Der italianisierenden Landschaft des Weinviertels ist er treu geblieben, dem kräftigen Licht und den starken Schatten. Einer von Österreichs großen Malern hat seine Zelte in der Retzer Gegend aufgeschlagen, dort, wo der Blick weit über den Horizont reicht.
Getragen von einer Euphorie für die Malerei, verhandelt Mosbacher das Faktum des Bilds als Farbe auf Leinwand. Mit Hinweisen auf die Zeitlichkeit des Films, die Landschaftsmalerei der Impressionisten, aufs Internet, Kriminalromane oder Hochzeitsfotos verschiebt Mosbacher seine Malerei auf eine neue Ebene, von der aus er sich mit der Natur in ihren verschiedensten Aspekten auseinandersetzt. In den realen und in den virtuellen Parallelwelten des Künstlers tauchen Tiere auf, Hühner, Schafe, Hunde, aber auch Bienen, da stehen Hütten im Wald. Als Symbole für Utopien von gegensätzlichen Persönlichkeiten wie dem Lehrer und Landvermesser Henry David Thoreau, der seine Erfahrungen als Einsiedler in einem Blockhaus am einsamen Waldensee in Massachusetts beschrieb, und dem berüchtigten Una-Bomber Theodore J. Kaczynski. Das Experiment eines völlig isolierten Lebens, frei von institutionellen und zivilisatorischen Zwängen, vereint den guten Anarchisten und den neurotischen Massenmörder. Auch Mosbacher geht es um Gegenweltmodelle, und er erzählt im Subtext seiner Geschichten von einer alternativen Welt, von Außenseitern, vom Verlust an Freiräumen, von Zufluchtsorten, von den Surrogaten, die parallel zur Gesellschaft aufgebaut werden, weil die Überlebensnischen immer mehr und schneller verschwinden.
Alois Mosbacher (geboren 1954) studierte Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Walter Eckert, einem Klassiker der österreichischen Nachkriegsmoderne. Mit seinen Malerfreunden Anzinger, Bohatsch, Kern, Klinkan und Schmalix gehörte er zu einer Gruppe, die als «Neue Wilde» Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre international reussierte. Unterfeuert von Kunstpreisen des Landes Steiermark, der Stadt Wien und des Georg Eisler Preis, stellt er seit damals im In- und Ausland aus, in Kunstmetropolen wie Basel und Istanbul ebenso wie in geheimen Winkeln, die Mürzzuschlag heißen oder Reith im Alpbachtal.
Sein nachhaltigster Auftritt in Wien fand 2004 in der Wiener Secession statt. Die Ausstellung hieß Out There, und Mosbacher stellte sein figuratives Repertoire in den Dienst der Narration. Vor dem Hintergrund von Film, Fotografie, Theater und der Computerwelt organisierte Mosbacher eine Bildgeschichte. Sein Material suchte er sich auf der Navigationsplattform des World Wide Web, für die Dramaturgie des Storyboards und für seine Organisation im Raum sah er sich im Cyberspace der Videospiele um: … auf einer Waldlichtung hat das Spiel begonnen. Zwischen Bäumen laufen Menschen mit Stöcken, oder sind es Baseballschläger? Ein seltsamer Fight-Club. Jemand schießt. Hat er sich in der Holzhütte versteckt? Die Braut im weißen Kleid blickt sich um. «Warte hier auf mich», sagt sie. Ihr Hut liegt zwischen den Büschen im Geröll. Aber nein, das ist kein Hut, es ist ein seltsames Flugobjekt, dem ein Außerirdischer entsteigt. Ein Erlkönig? Oder ein Nebelstreif?
Der Wald des Alois Mosbacher: ein heiterer Mittsommernachtstraum oder Resonanzboden individueller Psychografien? Schauplatz, Tatort, Evidenz, Mehrdeutigkeit: ein Vexierbild komplementärer Blickfelder, beschleunigt vom Betriebssystem Malerei.
Auf neuen, großformatigen Leinwänden sieht man Hunde vor Motiven aus berühmten historischen Gemälden sitzen. Mosbacher zieht sein Lieblingssujet heran, um über einen Begriff aus Relativitätstheorie und Science-Fiction, dem «Wurmloch», in die Malerei und ihre Geschichte einzudringen. Er bohrt sich einen Tunnel durch Raum und Zeit und lässt sich in seine Wunschbilder beamen: «Ich bin gleichzeitig außerhalb und innerhalb des Bildes», sagt er. Und das können nur die wahren Meister.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2012