Wie das Exkrement einer Kuh auf das Hausdach gelangt
So fein hätte der Ich-Erzähler sie natürlich auch umreißen können, die beschissene Tatsache, mit einer komplett «vertumorten» Wirbelsäule in eine Welt geboren worden zu sein, durch die er Zeit seines Lebens auf Krücken hüpfen wird. Doch sein ewig besoffener, gewalttätiger Vater hat ihm nun einmal diesen beschissenen Trost hingeworfen, Schulter zuckend: Pech eben, so eine Querschnittlähmung, wie Kuhscheiße auf dem Dach. Scheinbar idyllisch fließend wie der Bach hinter dem Plumpsklo des elterlichen Bauernhofs, erzählt er seine Geschichte. Tragisch komisch, trotzig deftig. Eine ganz normale Kindheit auf dem Lande. Fast. Die Sprache spiegelt des Erzählers Lebensprinzip: nur nicht nachgeben. Niemals. Immer wieder stellt er die Burg aus Bausand im Hof auf. Bis sie hält. Mit Zement. Unheimlich ruhig mischt der Ich-Erzähler in das furchtbar Harmlose das schlicht Schreckliche, perfide unauffällig. Die emotionslose Schilderung des führerlos in Bewegung geratenen Traktors, mit dem querschnittgelähmten Buben oben drauf, der sich nun unaufhaltsam der Schnellstraße nähert, durchbricht er mit erstaunlichen Gedanken über Vor- und Nachteile von Hosenträgern im allgemeinen, die sich der Vater im speziellen, nachkeuchend, hochzuziehen versucht. Was trifft, steht nebenbei in Hauptsätzen und hauptsächlich in Nebensätzen. Dass nur ja niemand auf die Idee kommt, es könnte wehtun. Bitterkeit versteckt er in – Rufzeichen! Im letzten Moment stoppt der Vater die Todesfahrt. Gott sei Dank, es ist ihm nichts passiert! Dem Traktor.
Andreas Nastl, Jahrgang 1965, schreibt seit 1992. Seine autobiographische Geschichte «Wie kommt Kuhscheiße aufs Dach» stellte er via Literadio NÖ auf der Buchmesse Frankfurt 03 vor. Er arbeitet in der NÖ Dorferneuerung und lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Langenlois.