Variationen und Gleichklang
Haus Wittenstein. Wien. Mai 1997. Eine Ausstellung. Ein Konzert. EinArchitekturprojekt. Michäl Loudon stellt sein Projekt für die Fachhochschule für Telekommunikation und Multimedia-Art in Salzburg vor. Die Pianistin Kozue Kinoshita führt dazu Morton Feldmans ,,Triadic Memories 1981″ auf. Fritz Ruprechter zeigt großformatige Bilder, die zugleich Fassadenentwürfe der Informatikhochschule sind. September 2000. Paul Katzberger spricht über das Kraftwerk Theiß, das er für die EVN AG in Zusammenarbeit mit Kraftwerksingenieuren geplant hat, über Gasturbinen und Rauchentschwefelung, über Logik und Notwendigkeit, über Fernwirkung und Bindung an die Landschaft, über Altbestand und neue Teile. Zwei scheinbar unterschiedliche Welteneine Arbeitsgemeinschaft. Bily/Katzberger/Loudon: das bedeutet konzeptive Variation und zugleich systemische Identität. Die Arbeitsgemeinschaft Bily/Katzberger/Loudon wurde 1980 gegründet, nachdem man sich aufder Akademie der bildenden Künste in der Meisterklasse Peichl kennengelernt hatte: ,,Plötzlich haben wir festgestellt, dass wir ähnliche Dinge aufgezeichnet haben, obwohl aus verschiedenen Ecken angedacht“. Zu den Gruppenprojekten werden unabhängig auch eigene Projekte gemacht – Michäl Loudon arbeitet abitudienende bis 1995 sehr eng mit Markus Koch in Vorarlberg zusammen, ist 4 bis 5 Wochen in Wien, dann wieder zwei Monate in Vorarlberg. ,,Der Arbeitsprozess ist dadurch rhythmisierter geworden“. Seit 1990 existiert ein gemeinsames Büro als räumliche Hülle“ (so die offizielle Definition) – um neben der inhaltlichen auch die Qualität der räumlichen Nähe zur Verfügung zu haben und um so ,,en passant Dinge kurzfristig besprechen zu können …“. „Architektur soll eine gewisse Neutralität in bezug auf Bedeutung haben, sie soll nicht neutral sein, sondern unsere Idee ist die, dass die Entwürfe einen hohen Anspruch punkto Realismus haben. Realismus ist eine formale Kategorie“. In den gemeinsamen Projekten sind dennoch Spuren der Unterschiedlichkeit der Arbeitsweisen, ist unbewusste Wahrnehmung und intellektuelles Schauen, ist eine gewisse Strenge und zugleich heitere Klarheit zu spüren. Und es ist die intensive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Erscheinungsformen der zeitgenössischen Kunst präsent, die bereits seit dem Studium an der Akademie betrieben wird: nicht zufällig hat Paul Katzberger die ,,EVN Sammlung zeitgenössischer Kunst“ initiiert, die Kunst als Seismografen für gesellschaftliche Veränderungen thematisiert und unter anderem Arbeiten von Philip Taaffe, Fischli/Weiß, Joseph Grigely, Cerith Wyn Evans umfasst. Die vieldimensionale Qualität der architektonischen Arbeiten ist am augenscheinlichsten beim wohl bekanntesten Projekt von Bily/Katzberger/Loudon zu spüren: dem Archiv und dem Landesbibliotheksgebäude im St. Pölten. Heller Kalkstein, gestockt, Glas, polychrome innere Farbgebung. Ein Projekt, das im Spannungsfeld ,,einerseits Landhaus, andererseits Kulturbezirk“ eine offene Mitte schafft. Bei diesem Projekt ist deutlich zu spüren, dass gemeinsam an einem großen Thema gearbeitet wird. Dieses Thema heißt: Raum, Proportion, bewegen im Raum. Sowohl Bily/Katzberger als auch Michäl 8Loudon realisieren neben der gemeinsamen Gruppenarbeit auch Einzelprojekte um ,,andere Zugänge auszuprobieren, um für das, was an Geschichte da ist, ein Gefühl zu entwickeln – was eigentlich heute wichtig wäre, und dann dagegen zu verstoßenoder auch nicht!“ Die Vielzahl der unterschiedlichen Ansprüche eines Projektes wird nicht in vielgliedrige, sondern in klare, einfache Formen gefasst. Innerhalb dieses Systems dann: dezente Irritationen, eine Querstellung, ein Verschieben aus dem Achsenraster heraus. Geringfügige Interventionen, wenig Aufwand, jedoch immense Wirkung. Interessant ist für Bily/Katzberger/Loudon nicht die Mimik einer neuen Form, sondern die neue Form aus produktionstechnischen Gründen. Denn ,,die größte Herausforderung in der Architektur ist, das, was als Raum erdacht wird, mit physischem zu umgeben, ohne ihn dabei zu zerstören“.