Artstettner Franz Ferdinand Museum

Sonderpreis
Museen in NÖ

Auf den Spuren der Habsburger

Die Geschichte und persönlichen Schicksale der Habsburger sind ein unerschöpfliches, facettenreiches Thema, ,,ein Renner“, wie es Ulrich Graf Arco-Zinnenberg, einer der beiden ,,Manager“ des Schloss Museums Artstetten, unmissverständlich formuliert. Aus dieser Sicht, aufgrund der Themenstellung, genießt das dem Andenken des Thronfolgers Franz Ferdinand gewidmete Museum natürlich einen gewissen ,,Startvorteil“. Dennoch – ohne die vorbildliche Gestaltung, das stimmungsvolle Ambiente und vor allem ohne das professionelle Management hätte das knapp nördlich der Donau noch im Blickfeld des Stiftes Melk gelegene Museum kaum seinen Aufschwung nehmen können. Zu Ostern 1982 gegründet, wurde es im letzten Jahr bereits von rund 50.000 Interessierten besucht, wobei vor allem der außergewöhnlich hohe Anteil an ausländischen Touristen von 48,8% hervorsticht. Die unerwartete Öffnung nach dem Osten, in das ehemalige riesige Gebiet der Donaumonarchie, wird sicherlich zu einer weiteren Steigerung der Besucherzahlen beitragen.
Das Artstettner Schloss geht aufgrund der Urkundenforschung bis in das 13. Jahrhundert zurück – von der ursprünglichen Burg haben sich jedoch keine Spuren erhalten. Die Baumeister Matthäus Grundreching und Maximilian Rothenhausen schufen von 1560 bis 1698 einen zweistöckigen, mit vier runden Ecktürmen mit Zwiebelhelmen versehenen Bau. 1912, bereits unter dem Besitz des Thronfolgers, erfolgte an der Nordseite ein Zubau für Archiv und Bibliothek. Seither ergibt sich das markante Erscheinungsbild des prachtvoll auf einer Anhöhe gelegenen Schlosses mit seinen nun insgesamt sechs Ecktürmen. Im Zusammenwirken mit der an der Ostseite des Schlosses gelegenen barocken und später historistisch umgestalteten Pfarrkirche ergibt sich ein ,,außerordentlich homogenes Erscheinungsbild (Dehio)“. Besonderer Anziehungspunkt ist natürlich die 1909 unter Erzherzog Franz Ferdinand von Ludwig Baumann errichtete Familiengruft. Sie beherbergt in ihrem ersten Raum die Sarkophage des Thronfolgerpaares Franz Ferdinand von Osterreich – Este und Sophie von Hohenberg. Die beiden Särge wurden nach dem welthistorischen Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 am 4. Juli nach Artstetten geführt. Der Stimmung in der Familiengruft kann sich wohl kaum jemand entziehen.
„Von Mayerling bis Sarajevo“ nennt sich seit der Gründung des Museums die Dauerausstellung des Museums mit nunmehr 26 Schauräumen. Erzherzog Franz Ferdinand, geb. am 18. 12. 1863 in Graz, ältester Sohn von Erzherzog Karl Ludwig, dem nur um drei Jahre jüngeren Bruder des Kaisers Franz Joseph I., steht im Mittelpunkt des Museums – der Thronfolger hatte das Schloss 1889 von seinem Vater übernommen und behielt es bis zum gewaltsamen Tod in seinem Besitz. Er hatte in Artstetten schon einen Großteil seiner Kindheit verbracht, neben Konopischt und Chlumetz wurde es zu seinem Lieblingsaufenthalt. Das Museum gibt unprätentiös, mit Liebe zum Detail und in wohltuender Übersichtlichkeit Einblick in das Leben und die Umgebung des Erzherzogs, wobei sich eine große Spannweite ergibt, die auch Kitsch bewusst nicht ausschließt. Zugleich kann anhand der Exponate auch habsburgische Geschichte studiert werden, wobei der Bogen mit Karl VI. und Maria Theresia einsetzt. Signifkant dafür ein Gemälde nach Martin von Meytens, Kaiser Franz I. Stephan und Maria Theresia mit ihren Kindern“, gemalt um 1755. In der Folge werden mit Teilbereichen wie ,,Der Kaiser und sein Sohn“, ,,Erzherzog Ferdinand Max, der Onkel“, ,,Karl Ludwig, der Vater“, ,,Der Thronfolger“, ,,Der Jäger“, ,,Der Offizier“, ,,Der Familienvater“, ,,Der Sammler“ oder ,,Der Politiker“ alle Facetten des privaten und öffentlichen Wirkens des Thronfolgers ausgeleuchtet. Raritäten wie ein Gemälde ,,Kaiser Maximilian empfängt eine Deputation der Kickapoo-Indianer“ von Jean Adolphe de Beauce, dürfen dabei nicht fehlen.
Graf Romee d’Harambure, verheiratet mit einer Urenkelin des Thronfolgers, ebenfalls für das Management von Artstetten verantwortlich, plant aber weiter in die Zukunft. „Die ständige Sammlung wird adaptiert und verbessert, neue Teppiche, Vorhänge und UV-Schutz für die wertvollen Photos sollen das Ambiente verbessern.“ Im Übrigen setzen die beiden Manager den Schwerpunkt auch auf professionelle Werbung in Form der Organisation Marketing Dynamics International. In Verbindung mit der landschaftlichen Schönheit der Umgebung der Donau wird eine kulturelle ,,Schnittstelle“ Stift Melk-Schallaburg-Artstetten geplant. Sichtbarer Ausdruck dafür sind ermäßigte gemeinsame Eintrittskarten für alle drei Sehenswürdigkeiten.
Zusätzliche Attraktionen bieten seit 1987 die Sonderausstellungen. Nach den ,,Kinderzeichnungen der Habsburger“, der Schau ,,Erzherzog Ferdinand Max, Kaiser von Mexico“ und ,,Die Grüne Welt der Habsburger“, Gartenbau, Botanik und Experimente“ wurde heuer die Sonderschau ,,Thron oder Liebe 90 Jahre Hochzeit des Thronfolgers“ eingerichtet. Im Mittelpunkt steht dabei die morganatische Ehe des Thronfolgers mit der böhmischen Gräfin Sophie Chetek, der späteren Fürstin und Herzogin von Hohenberg. Anschaulichkeit in bewusstem Gegensatz zu trockener Wissenschaftlichkeit steht auch bei Gestaltung dieser Sonderausstellung im Vordergrund. Schönstes Beispiel dafür ist die Nachstellung der Renunziationsszene am 28. Juni 1900 in der Geheimen Ratsstube der Hofburg. Franz Ferdinand musste für seine Gemahlin und für die aus der Ehe zu erwartenden Kinder auf die Thronfolge durch Eid verzichten.
Weitere Sonderausstellungen sind bereits geplant. So soll 1992/93 unter dem Titel ,, 100 Jahre Weltreise des Thronfolgers“ auf die legendäre Reise Franz Ferdinands, die am 15. 12. 1892 ihren Ausgang genommen hatte, eingegangen werden. Material für Ausstellungen gibt es genug, es kann zurzeit nur ein Bruchteil der Exponate präsentiert werden. Für 1991 ist überdies ein neues, umfangreiches Projekt geplant. Im Mai soll das 1780 erbaute ehemalige Sommerschloß von Kaiser Franz I. von Osterreich in Luberegg wiedereröffnet werden. Das prachtvolle, aus fünf Gebäuden bestehende Ensemble, unmittelbar an der Donau in der Nähe sowohl von Melk als auch von Artstetten gelegen, soll in Hinkunft als vierter Schwerpunkt im skizzierten Kulturangebot die Entwicklung von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß dokumentieren. Ein gewaltiges Projekt, dessen Gelingen dem Management zu wünschen ist.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1990