Beatrix Maria Kramlovsky

Literatur

Bewegte Befindlichkeit

Zum ersten Mal ist sie mir vor etwa sieben Jahren begegnet. Aber nicht persönlich, sondern wie eine ganze Reihe von Autorinnen, von denen ich mittlerweile behaupten darf, ihnen nicht nur auf der literarischen Ebene, sondern auch freundschaftlich verbunden zu sein, mittelbar, über einen Text. Der Text, der mir einen ersten Eindruck vom Stil dieser Autorin verriet, beeindruckte mich so sehr, daß ich ihn den Kolleginnen im Wiener Frauenverlag zur Veröffentlichung vorschlug. Das Projekt wurde angenommen, und unsere gemeinsame ,,Literaturgeschichte“ begann. Aus dem Manuskript wurde ziemlich schnell ein Buch, und das surreale Element der Novelle ,,Das Chamäleon“ fasziniert mich heute noch, es ist eines der Charakteristika der Schriftstellerin, das auch in anderen Texten immer wieder durchschimmert. Beatrix Kramlovsky scheut sich nicht vor Monstrositäten, Ambivalenzen, und Gegensatzpaare sind ihr Thema. Sie weiß von Anfang an, daß ihre Bestimmung eine künstlerische ist, trotzdem bricht sie ihre akademische Ausbildung auf dieser Schiene ab und absolviert ein „braves“ Studium, Frauen sind bekanntermaßen sprachbegabt, also stürzt sie sich auf Anglistik und Romanistik. Mit fast schon schmerzhafter Nonchalance übergeht sie all die Probleme, die ihr daraus erwachsen, sieht das Positive und spielt einen Trumpf aus, denn – just by chance – lernt sie da einen kennen, der ihr Lebenspartner, der Vater ihrer Kinder werden soll. Und genauso en passant streut sie ein, daß sie ,,damals schon“ halt geschrieben hätte, im Journalismusbereich, und daß der einzige in Österreichs Zeitungen erschienene Nachruf auf Anais Nin und ihre Rolle in Millers Leben ihre Arbeit war. Obwohl Beatrix Kramlovsky eine ist, die ich als in sich, in ihrer kreativen Mitte Ruhende wahrnehme, ist sie doch auch eine Getriebene – vom eigenen Anspruch an die Arbeit, von der Verpflichtung der Familie gegenüber (,,Alle Welten unter einen Hut bekommen, allen Bedürfnissen gerecht werden.“), zeitweise grob gebeutelt von Reiselust und Fernweh, trotzdem ihren Wurzeln verhaftet, ohne die sie nicht existieren kann. Ihre Auszüge aus dem Berliner Tagebuch, aus den in der DDR verbrachten Jahren 1987 – 1991, lesen sich wie Lyrik. Sie er- und durch lebt politisch hochbrisante Zeiten, ist hautnah am Geschehen, arbeitet mit den Eindrücken, die auf sie einstürzen. Ein Kaleidoskop von Texten, Bildern, Ausstellungen breitet sie aus: ,,Oja, es gab nichts Aufregenderes a ls dieses Berlin der Umwälzungen und Offenbarungen, der politischen Skandale und Neuorientierung, der schwindenden Mauer“, wird sie in ihrem Prosaband ,,Eine unauffällige Frau“ resu mieren, a ls sie wieder ,,zurück“ ist, eingependelt hat an einem lebbaren Ort, in einer momentan möglichen Heimat in der Nähe Wiens, in Niederösterreich. Wo es im selben, atemlosen Tempo mit der Arbeit weitergeht, mit der köstlichen Mühe des Reflektierens, des Aufschreibens, des beinahe wütenden Gebrauchs von Farbe auf Karton. ,,Das Dorf“ istjetzt unter anderem die Hintergrundfolie, der ihre Geschichten und Bilder eingeschrieben werden. Tusche. Aquarell. Kreide. Koh le. Acryl. Pastell. Rötel. Graphit. Leinen. Holz. Reispapier. Ich sehe sie förmlich vor mir, wie sie mit Sicherheit ihr Material auswählt, über die unterschiedliche Struktur streicht, tastet, fühlt, was zusammenpaßt, ich rieche den betörenden Duft der Farben, ich wittere ihrer freudigen Erregung nach, wenn ein Gemälde sich formiert. (,,Sie spürte, wie das Bild ihren Arm diktierte, wie sich eine Linie ergab aus ihrem Kopf über die Muskeln zu den angespannten Fingern, wie das Tempo ihrer Striche schneller wurde, bis sie mit beiden Händen arbeitete, den Pinsel beiseite warf und die zehn Fingerkuppen verwendete.“) Auch die Titel ihrer bildnerischen Arbeiten nehmen sich aus wie Poesie. Zu den Bildern kommen wieder die Worte. Innerhalb kürzester Zeit legt sie dem Verlag einen Kriminalroman vor, den sie ,,Das Risiko“ nennt. Eine heimatlose Medea in einem nicht näher bezeichneten Ort, irgendwo am Land, ist die Protagonistin. Der gefährliche Irrsinn der Gentechnologie, der im Größenwahn der Machbarkeit ausufert ins Desaster, die Endlosfalle „Liebe“ sind hier Beatrix Kramlovskys Themen. Es ist keine seichte Unterhaltungslektüre, die sie vorlegt. Ein kluges, sensibles Buch, das in einer schönen Sprache ein Problem unserer seltsamen, gefährlichen Zeit behandelt, bietet sie an. Die ist eine Vielschichtige, die sich zerreißt und wieder zusammenfügt, sie ist eine Mütterliche,

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1997