«Heldenkanzler»?
Nicht zufällig trägt Benjamin Swiczinskys Animationskurzfilm den zwiespältigen Begriff «Heldenkanzler» als Titel: Seine Verhandlung von Aufstieg und Tod Engelbert Dollfuß’ (1892–1934) ist eine tragikomische, schwarzhumorige und durchaus bissige Satire, die bereits mehrfach ausgezeichnet und auf einer Vielzahl renommierter internationaler Festivals gezeigt worden ist. In nur auf den ersten Blick harmlosen Bildern, die der Regisseur um bearbeitete Archivaufnahmen stimmig ergänzt, bietet er einen Alptraum in Schwarz-Weiß-Rot. Die immer noch sehr zwiespältig gesehene und verhandelte Zeit des österreichischen Bürgerkriegs, der gewaltvollen Aushebelung der Demokratie und der Einrichtung des austrofaschistischen Regimes wird für Swiczinsky zur Folie historiografischer Reflexionen. Die Erzählbarkeit von Geschichte und die produktive Infragestellung mimetischer Geschichtsverhandlung für sich nutzend, inszeniert er Dollfuß als Miniaturfaschisten, als Lehrling Mussolinis und knieschlotternden Gegner Hitlers. Diese Darstellung Dollfuß’, die von zahlreichen filmischen Inszenierungen politischer Diktatoren ebenso zehrt wie von den Qualitäten des Animationsfilms als in seiner Artifizialität wohl filmischsten Genres, ist zugleich politisches wie künstlerisches Statement. Aus der vom Regisseur lang gehegten Idee, sich kritisch mit der Figur Dollfuß und der Zeit des Austrofaschismus auseinanderzusetzen, ist, anders als ursprünglich geplant, kein dokumentarischer Spielfilm voller abgestimmter Details geworden, sondern eine metaphernreiche Arbeit, die bewusst und gekonnt mit der dramatischen Registratur der Animation arbeitet. Dem Mitbegründer der Initiative «Neuer Österreichischer Trickfilm» ist mit seinem technisch wie inhaltlich überzeugenden «Heldenkanzler» (2011) ein bemerkenswerter, wichtiger Beitrag zur Dekonstruktion politischer Mythologie gelungen.