Bernd Richard Deutsch

Musik

Ohne Umwege zum großen Werk

„Halb- und Ganztöne begreift man nicht auf dem Papier, sondern auf einem Instrument“: die Erkenntnis von einem, der keine Umwege macht. Mit sechs Jahren hört Bernd Richard Deutsch Mozarts „Kleine Nachtmusik“ und beschließt Komponist zu werden. Mit 14 scheitert er an einem Musiktheorietest, als Konsequenz beginnt Deutsch Instrumente zu lernen, Klavier und Fagott, zielgerichtet auf ein Kompositionsstudium hin. Martha Southwick, seine Lehrerin am Wiener Neustädter Gymnasium, bereitet ihn auf die Hochschule vor, der Weg zu Erich Urbanner ist vorgezeichnet. Von ihm hat er seine komplexe, durchgearbeitete Komponierweise gelernt, die Spielbarkeit seiner Werke, was Interpreten von Florian Kitt bis Stephan Möller, von den österreichischen Kammersymphonikern bis zu den Studenten der Abteilung für Gesang und Musiktheater an der Wiener Musikuniversität schätzen.
Alles, was machbar ist In den wenigen Jahren seiner Kompositionskarriere, immer noch Student der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst, feiert der 25-Jährige erstaunliche Erfolge. Nahezu jede Einreichung wird prämiert, fast jeder Wettbewerb gewonnen: 1994 verleiht ihm das Land Niederösterreich einen Anerkennungspreis, 1995 gewinnt er den Ernst Vogel Preis, 1997 den Theodor Körner Preis, im selben Jahr gewinnt er den zweiten Preis bei der ,,Biennale Neue Musik Hannover“, 1998 wird seine Oper ,,Die Verwandlung“ nach Kafka in der Wiener Musikuniversität aufgeführt. 1999 ist er Stipendiat der Avantgarde Schwaz. Der Verlag Doblinger verlegt seine Werke. Keine Jury, die sich nicht von der Feinheit und Durchdachtheit seiner Arbeiten erstaunt zeigt, von der Zielstrebigkeit verblüfft. Da greift einer nach allem, was für einen Komponisten machbar ist: ,,Ich will das große Bühnenwerk schreiben.“HALBZEIT Das große Werk, die Hälfte ist vollendet, noch im Komponieren der zweiten Hälfte knüpft der Komponist Kontakte mit den Veranstaltern. Deutsch geht mit seiner riesigen Partitur ins Konzerthaus, mit einer vagen Zusicherung des Südwestfunks, hofft auf ,,Wien Modern“ 2005- wohl wissend , welch Risiko es ist, einem jungen, noch wenig bekannten Komponisten einen ganzen Abend zu überantworten. Der Titel des Werkes, für das sich Deutsch die nächsten zwei Jahre Zeit nimmt, lautet ,,Martyrium oder Die Dinge sind“. Der Komponist braucht dafür einen großen Chor, ein Orchester, zwei Gesangssolisten, zwei Sprecher, Tonband- und Filmzuspielungen. Der liebste Film ist ihm der Stummfilm. Es sind Texte aller großen Dichter und Philosophen verarbeitet – von Dante, Gryphius, Nietzsche, Paul Celan, Beckett und Konrad Bayer. Womit einmal mehr seine Besessenheit nach Literatur unter Beweis gestellt ist. Und der Drang, den direkten Wege allen verlockenden Umwegen vorzuziehen.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2002