Bernhard Gamsjaeger

Erwachsenenbildung
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«Das Feierliche ist überall feierlich»

Bernhard Gamsjäger, geboren 1949 in Sankt Pölten, wuchs in Frankenfels im Pielachtal auf. Er unterrichtet Deutsch und Biologie an der Hauptschule Böheimkirchen und lebt mit seiner Frau und zwei erwachsenen Töchtern in Sankt Pölten. Über seine Anfänge als Heimatforscher erzählt er: «Mein Vater war ‹Heiratsmann›. Er hat die Hochzeiten im Dorf angeführt und den Brautleuten Gstanzln gesungen.» Was das ist und woher das kommt, wollte der junge Bernhard Gamsjäger wissen. So wurde er Heimat-, Regional- und Volksmusikforscher. Die Hausgeschichte der Frankenfelser Gemeinde arbeitete er in jahrzehntelanger Forschungsarbeit auf. Das «Frankenfelser Häuserbuch» erschien 1987. Zehn Jahre arbeitete er gemeinsam mit dem Historiker Ernst Langthaler am «Frankenfelser Buch», erschienen 1997. «Dabei komme ich immer unangemeldet auf die Bauernhöfe – natürlich nicht wenn Ernte ist oder das Heu eingebracht werden muss. Aber schließlich wissen wir nicht, wie lange wir dort sitzen werden –
eine halbe Stunde oder drei Stunden.» Zeitmanagement, wie es ein Büro verlangt, ist einem Heimatforscher abträglich. Während der Arbeit an diesem umfassenden Werk organisierte er gemeinsam mit dem Fotografen Johann Marsam kleine Fotoausstellungen. Das regte die Menschen an, weiteres Material aus Fotoalben, Schuhkartons und Dachböden hervorzukramen. «Das Wissen der Bauern geht hundert Jahre zurück, alles Weitere habe ich aus den verschiedensten Archiven erhoben.»Große Bedeutung in seinem Schaffen hat die Mitarbeit bei der Editionsreihe «Corpus Musicä Popularis Austriacä» (COMPA), einem überregionalen Nachschlagewerk zur Volksmusik in Österreich. Gemeinsam mit Walter Deutsch begann Gamsjäger 1979 mit der Dokumentation historischer und zeitgenössischer musikalischer Zeugnisse aus dem Pielachtal. Ergebnis der umfangreichen Feldforschungen ist ein umfassendes Gesamtwerk über die traditionellen Lied-, Musik- und Tanzformen der Region. 2001 erschien der erster Teil über das musikalische Brauchtum. Aktuell arbeitet Gamsjäger an einem Folgeband über das Liedgut des Pielachtals. Heimatforschung beginnt für Bernhard Gamsjäger in Frankenfels und hört im Pielachtal nicht auf. Er erweiterte seine Forschungen auf die alevitische Kultur, nahm albanische Lieder auf, veranstaltet Multikultitage. Das verdankt er seinen Schulkindern. In der Schule ist er Mitinitiator der Integrationsklassen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen und gibt Schüler(inne)n, deren Elternsprache nicht Deutsch ist, Deutschunterricht, lernt im Gegenzug Türkisch, Tschechisch, Serbisch, Albanisch oder Bosnisch. Er besucht mit seinen Schüler(inne)n in Sankt Pölten Moscheen oder chinesische Geschäfte. Am Tag der Musik bringen seine Schüler(innen) ihre Lieblingsmusik mit und erklären dem Lehrer, wo’s langgeht. Am Tag der Namen versucht er gemeinsam mit seiner Klasse, die Vor- und Nachnamen der Jugendlichen zu ergründen. Durch die türkischen Schüler(innen) stieß er auf die große und damals noch im Verborgenen lebende alevitische Gruppe in Sankt Pölten. Die Aleviten kommen vor allem aus der Türkei und sind Moslems im weitesten Sinn, lehnen aber eine dogmatische Religionsauslegung ab. Der Gottesdienst heißt «Cem», und Frauen sind dabei ebenso aktiv wie Männer. So kommt es, dass der Sohn des «Frankenfelser Heiratsmanns» viel auf alevitischen Hochzeiten tanzt und gemeinsam mit der Musikforscherin Ursula Hemetek Tanz, Lieder und Brauch der Sankt Pöltner Aleviten in seine Forschungen aufnahm und viele Parallelen in den Festlichkeiten entdeckte. «Das Feierliche ist eben überall feierlich», so Bernhard Gamsjäger. Generell will er aber leiser treten. «Entschleunigung» ist auch das diesjährige Thema der «Weißensteiner Burggespräche», die er organisiert. Die vierte Klasse der Hauptschule Böheimkirchen überreichte zum Schulschluss jeder Lehrkraft ein Dekret. Bei Bernhard Gamsjäger stand: «Unserem besten Freund und Lehrer.»

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2010