Im Fluß der Objekte
Zu Recht kann das künstlerische Oeuvre von Brigitte Kordina in seiner Grundstimmung als lyrisch bezeichnet werden. Die fragmentarische Rhythmik als verbindendes Moment gerade der 1997/98 entstandenen Arbeiten basiert auf narrativen Strategien, die sich zwischen der Materialität der Objekte und ihrer zeichenhaften Strukturation entfaltet.
Banale industrielle Materialien bilden die gestalterischen Grundlagen der Objektwerke von Kordina. Lochbleche und Spiegelfragmente werden dabei weniger in der Tradition von Ready Mades verwendet, sondern vielmehr als autonome, nicht auf ihre Funktionalität bezogene ästhetische Gebilde. Sie behalten dabei einerseits ihre materielle Narrativität im Sinne einer Kulturgeschichte des Materials-, andererseits jedoch werden Bezüglichkeiten entwickelt, die zu neuen Bedeutungsmöglichkeiten führen.
Kennzeichnend ist dabei die „Interaktivität“ zwischen den Lochblechen und den Spiegelscherben. Die Möglichkeit des Durchblicks wird kraft der Spiegelfragmente zu einem Blickecho, das dem Betrachter die verborgene Rückseite der Lochbleche für ihre Wahrnehmung öffnet und damit die graphischen Zeichnungen auf der Rückseite als (rote) Linie freisetzt. Nicht zufällig spiegelt sich in dieser Gegebenheit auch der Titel der Objektarbeiten wider: „Zeichen sehen“. Reflexion und Empfindung sind dabei bei Kordina unabdingbar ineinander verwoben. Nicht zuletzt deshalb sind Objekte niemals nur bloße Objekte, Bilder nur Bilder, sondern immer das eine und das andere gleichzeitig.
Semantisch verknüpfen sich die Objekte durch die Metapher des Flusses, des Fließens. Die Narrativität der Objekte ist nicht nur literarisch, sondern auch selbstbezüglich zu sehen: Das künstlerische Werk als Prozeß, als ,,offenes Kunstwerk“ (U. Eco), durch den sein Sinn unablässig entsteht und fließt, eben eine visuell-poetische Erzählung bildet. Die aus spontanen Zeichnungen entwickelten roten Linien sind sowohl als bildnerisch-graphisches wie auch als Schriftzeichen, wenn auch mehr in chinesischem denn alphabetischem Sinne zu rezipieren (nicht zufällig wurden die Linien mit einem Pinsel realisiert). In ihrer Geste scheinen sie visuelle Haiku’s zu sein: verrätselnd und k.Jar gleichzeitig.
Brigitte Kordina fixiert und definiert nichts in ihrem künstlerischen Schaffen. Darin liegt auch der transitorische Charakter ihrer Werke begründet. Es geht nicht um Vorschreibung von Sinn, sondern um dessen Verrückung. Die schwebende Leichtigkeit ihrer Konstruktionen und Präsentation entzieht den Arbeiten ihre Gegenständlichkeit und Konkretheit. Zwischen Materialität und Immaterialität oszillierend, werden die Objekte zu Phantasmen ihrer selbst: Echolote einer Seinsintensität und Seinsbefindlichkeit als verborgene Sehnsucht nach Wegen in das Freie…