Wenn die Proportion stimmt
Seit Brigitte Lang 1973 erstmals, und dann gleich in der prominenten Galerie Schullin in Graz, ausstellte, kennt man sie als Schmuckkünstlerin. Ihr Schmuck war nicht verspielt, sondern streng und sorgfältig gearbeitet, und man konnte von Anfang an erkennen, daß die junge Künstlerin nicht nur Schmückendes, sondern viel mehr Gestalterisches im Sinn hatte und daß sie auch das kleine Schmuckstück bereits als Objekt sah. Brigitte Lang wurde 1953 in der Steiermark geboren und studierte in Graz ,,gestaltendes Metallhandwerk“, übersiedelte nach Wien, wo sie heute noch, und abwechselnd in Niederösterreich, lebt. 1981 und 1985 erhielt sie Stipendien und 1988 den Theodor Körner-Preis. Ihre Ausstellungsliste ist lang und zeigt, daß sie jahrelang zwar viel, aber in erster Linie Schmuck schuf. Das Entwerfen von Schmuck wurde der Künstlerin bald zu eng, und sie begann, raumgreifende Objekte zu entwickeln. Ihre Fähigkeit, den Raum zu erfassen und in überzeugender Weise zu gestalten, hatte zur Folge, daß sie alle Mittel ausschöpfte, die ihr zu Gebot standen und die ihr wichtig sind. Literatur beispielsweise. Sie schuf Objekte, auf die sie Wo rte schrieb. Farbe und Bewegung sind ihr wichtig, also gibt sie ihren Objekten Farben und macht sie beweglich, wodurch sich dann auch noch reizvolle Veränderungen in der Schrift und der Farbigkeit ergeben. Die Abstraktion der strengen Skulpturen und die der Worte ergänzen einander mit der Bewegung und schaffen faszinierende Begegnungen mit unterschiedlichen Variationen, die aber aufs genaueste durchdacht und überlegt sind – nichts wird dem Zufall überlassen. Die handwerkliche Präzision hat sich Brigitte Lang aus der Zeit der Schmuckgestaltung bewahrt, die praktische Durchführung und die inhaltliche Überlegung sind absolut überzeugend und ergeben jenen Reiz, der nur da entsteht, wo die Dinge im Einklang sind. Brigitte Langs Objekte gehen eine harmonische Einheit mit der Schrift, der Farbe und der Bewegung ein. Obwohl die Künstlerin nie einen Trend übernommen hat, sich auch nie dem allgemeinen Zug einer oberflächlichen Internationalität a ngesch lossen hat, läßt sie sich doch in eine Tradition einreihen, in jene der Künstler, die in Österreich in den fünfziger Jahren die Wiener Gruppe bildeten, Gerhard Rühm und Friedrich Achleitner beispielsweise. Wie diese und auch andere Österreicher, die als Doppelbegabung gelten – Kubin war ein ausgezeichneter Literat, Schönberg ein guter Maler, Attersee ist ein erfolgreicher Musiker-, entwickelt Brigitte Lang 30 Jahre nach der Wiener Gruppe dieses besondere multimediale Talent. Fast ist man versucht zu sagen, eine spielerische Begabung. Und in der Tat hat das Experimentieren, der Versuch, die Grenzen zu überschreiten und zu neuen Ergebnissen und neuen Einsichten zu gelangen, etwas ernsthaft Spielerisches, das sich sonst eher selten findet – am ehesten noch bei jenen Künstlern, die mit neuen Medien arbeiten. Eine der eindrucksvollsten Arbeiten der Künstlerin stand 1994 in der Ausstellung ,,Kunst in der Landschaft“ in Gut Gasteil und bestand aus fünf beweglichen Emailflächen, auf denen die Worte „RETTE“ und „NATUR“ standen. Die Emailflächen sind um die eigene Achse drehbar. Die Worte stehen im Kontext gegenüber und ergeben durch Drehen der einzelnen Tafeln fünf sinngemäße Naturbegriffe bzw. auch zufällige Wortschöpfungen. ,,Die konzeptuelle Idee an diesem Objekt“, schreibt Brigitte Lang, ,,liegt in der Verwandlungsfähigkeit, welche nur durch den Betrachter bewegt und beeinflußt werden kann. Im eigentlichen Sinn provoziert das Objekt den menschlichen Spieltrieb und rückt somit die Aussage des Objekts ins Bewußtsein.“Ein ähnliches Objekt schuf die Künstlerin 1995 für das Projekt ,,Kunst im Zentrum“ in Wiener Neustadt und bewies damit, daß es ihr immer darauf ankommt, den Anlaß mit ihrer Präsentation entsprechend zu interpretieren und den Raum als Herausforderung anzunehmen, ihm eine adäquate Form zu geben. Brigitte Lang ist keine genialische Künstlerin, die dem Augenblick folgt, sie ist eine Denkerin, die langsam und überlegt ihre Konstruktionen schafft. Es geht neben aller Beschäftigung mit den inhaltlichen Fragen immer auch um die konstruktiven Details der Durchführung. Inhalt und Form, Gedanke und Handwerk stehen sich nicht unversöhnlich gegenüber, sondern bedingen einander in der Suche nach der jeweils richtigen Proportion.