Leidenschaftlicher Theatermacher
Wenn Bruno Max sagt: «Es geht ja ums Theater!», dann hat er keinen Allgemeinplatz verwendet, sondern einen Beweis geführt, wie er eindeutiger nicht zu denken ist, dann hat er die Mutter aller Argumente verwendet. Es geht ja ums Theater – was soll da noch dagegen gesagt werden? Man mag Bruno Max vorschnell einen Besessenen seiner Kunst nennen und tut ihm doch damit unrecht. Besessene sind sehr bald Gescheiterte; doch um zu scheitern, ist Max viel zu klug. Er hat das Spiel ganz genau durchschaut, das da abläuft in den meisten Theatern und um sie herum. Angewidert hat er sich abgewandt von den großen Häusern: «Ich könnte nicht immer arbeiten in solch intriganten Großkästen.» Besessen ist Bruno Max nicht (vielleicht schaut er so aus, doch sein bleiches, ernstes Gesicht mit den Augen tief in den Höhlen zeugen nur von Überarbeitung und Mangel an Schlaf), besessen also ist er nicht, verliebt vielleicht, doch, verliebt trifft es. Es geht ja ums Theater! Seit achtzehn Jahren führt er in Niederösterreich Regie, wie er es gelernt hat am Wiener Max-Reinhardt-Seminar. Erfolgreich hat der gebürtige Salzburger die Regieklasse absolviert und dies mit einer Ausbildung zum Schauspieler komplettiert. Alles begann 1986 in den Gewölben unter dem Schloss Liechtenstein. In diesem herrlich-muffigen, wunderbar-feuchten Kellerloch inszenierte Bruno Max mit seiner frisch gegründeten Truppe «Theater zum Fürchten» den «Wechselbalg» («The Changeling») von Thomas Middleton. Er machte daraus eine viel beachtete, herrlich düstere, blutrünstige Raubersg’schicht’, bei der Andrea Eckert und Bernhard Schir die Hauptrollen spielten; «um ein Butterbrot», wie sich Max erinnert. Und er fügt hinzu: «Das ist heute eigentlich nicht anders, wenn man an die Inflation denkt.» Warum überhaupt wer bei ihm spielt, darüber denkt Max oft nach, denn am Geld kann es nicht liegen: «Ich glaube, dass ich deshalb immer wieder gute Leute finde, weil sie gute Stücke spielen und gute Kollegen treffen wollen.» Und vielleicht auch deshalb, weil sie sich geborgen fühlen und geliebt von einem Theatermacher, der kein Bedürfnis hat, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, der so lange keinen Cent aus einer Produktion nimmt, bis nicht der Darsteller der kleinsten Rolle das Seine bekommen hat. Dass Max an seiner Arbeit fast nichts verdient, darüber spricht er nicht gerne, gibt aber zu, dass er das Geld, das mit dem Kulturpreis verbunden ist, gut brauchen kann für die Miete und den täglichen Unterhalt. Doch nicht nur der Geldwert des Preises macht ihn glücklich: «Ich freue mich, weil es eine Anerkennung ist für einen Einzelkämpfer außerhalb des Systems.» Jammern aber wird man Max nie hören, forschen Schrittes und stolz erhobenen Hauptes geht er durch das Theaterleben. Im Stadttheater von Mödling, das er seit 1998 leitet, bietet er jedes Jahr zehn Produktionen, sechs davon tauscht er mit seiner Wiener Dependance aus, der von ihm 1995 neu gegründeten Scala in der Wiedner Hauptstraße, «sonst ließe sich der Betrieb nicht finanzieren», und denkt oft und laut über eine Vernetzung der Theater von Mödling, Wiener Neustadt, 32 Baden und Berndorf nach. Geld ließe sich so sparen und mehr Menschen würden die Stücke sehen können … Dass er dieses, natürlich noch viel genauer ausgefeilte Konzept je in die Tat wird umsetzen können, daran glaubt Max nicht: «Wenn es so weit ist, werden die richtigen Freunde mit den richtigen Parteibüchern schon an den richtigen Stellen warten.» Mehr als sechzig Inszenierungen und die entsprechenden Raumlösungen hat Bruno Max bisher erarbeitet und in rund dreißig Produktionen mitgespielt; sich selbst besetzt er höchstens im Sommer, wenn er im Luftschutzbunker von Mödling sein immer wieder überraschendes Stationentheater zeigt. Dutzende von SchauspielerInnen braucht er dafür; sie spielen seit dem Jahr 1999 jeweils im August bei wenigen Graden über Null skurrile, anspruchsvolle Textcollagen vor den begeisterten, in Gruppen durch die Stollen geführten ZuschauerInnen. Lange noch nicht ist Maxens Kreativität gebrochen: «Im Fernsehen herrscht ja eine unglaubliche Feigheit. Wenn einer erfolgreich den Mörder gespielt hat, muss er ihn immer wieder spielen, weil das für die Produzenten das geringste Risiko ist. Das Schöne am Theater ist dagegen, alle acht Wochen etwas ganz Neues anfangen zu können, etwas ganz Neues zu lernen.» Seine Kraft bezieht Bruno Max aus einem Lebensglück, wie es nur wenigen Menschen zuteil wurde: «In den vergangenen fünfzehn Jahren habe ich nichts getan, wo ich nicht dahinter gestanden, womit ich nicht zufrieden gewesen wäre.» Das darf uns nicht verwundern: Es ging in dieser Zeit ja immer ums Theater!