Wissen, weitergeben, Werte vermitteln
Es gibt einerseits Menschen, die lassen sich mit einem Wort oder vielleicht mit einigen wenigen Worten beschreiben. Es gibt andererseits auch Menschen, die lassen sich mangels genügenden Profils überhaupt nicht charakterisieren. Und dann gibt es Menschen, die möchte man darstellen, man kann sie jedoch aufgrund ihrer Individualität in vorhandene Kategorien schwer oder nicht einordnen, weil die Worte, die man findet, irgendwie doch nicht ganz passen. Dazu gehört für mich Burghard Gaspar. Begleiten wir ihn vorerst auf seinem Lebensweg.
Er wurde am 14.2.1947 in Eggenburg als ältestes von fünf Kindern geboren. Sein Vater war hier seit 1946anerkannter Spitalsarzt, allseits beliebt und musikinteressiert. Das geschichtliche Interesse und die Publikationsfreude dürfte aber sein Großvater mütterlicherseits zu verantworten haben. Dieser war in Deutschland Richter, hatte Interesse an der Paläontologie und der Urgeschichte und erarbeitete eine umfassende Familienchronik in Buchform.
Schon als Volksschüler wanderte Burghard Gaspar im wahrsten Sinne auf den Spuren von Johann Krahuletz, dem großen Eggenburger Frühgeschichtsforscher. Seine Ausflüge und Wanderungen brachten ihn zu den reichlich vorhandenen paläontologischen und urgeschichtlichen Fundstätten sowie zu den Burgen und Schlössern der Umgebung. Das Interesse galt den alten Häusern seiner mittelalterlich geprägten Heimatstadt und deren Historie. Interesseweckend dürfte auch das gegenüber seinem Elternhaus liegende Krahuletz-Museum gewesen sein, in dessen Angesicht er aufwuchs und das für ihn später einen wichtigen Bezugspunkt seiner Lebenstätigkeit darstellen wird.
Das Gymnasium besuchte er Großteiles in Horn, war aber kein guter Schüler, sondern nützte die Zeit zum Lesen heimatkundlicher Schriften, von Geschichtswerken und einer Menge von Büchern. Einzig sein Deutsch- und Geschichtsprofessor Dr. Ingo Prihoda hatte große Freude an seinen Interessen und Fähigkeiten. Hier ist man übrigens bei einer der Widersprüchlichkeiten Gaspars angelangt, die seine Charakterisierung erschweren. Dürfte man nicht von einem späteren Lehrer und Volksbildner mehr schulische Aufmerksamkeit erwarten? Denn in der siebenten Klasse brach er nach negativem Abschluss die Schule ab und meldete sich zum Bundesheer als Berufssoldat in Wien. Erst jetzt kam die späte Berufung, vielleicht auch Reue, zur „Reife“ (1970) im zweiten Bildungsweg. Er verließ das Militär und wurde nach der Absolvierung der Pädagogischen Akademie Volksschullehrer im Horner Bezirk. Seit 1984 leitet er die Volksschule der Gemeinde Burgschleinitz – Kühnring, Reinprechtspölla.
Mit der beruflichen Orientierung ging die organisatorische Verankerung seiner Interessen einher. Der Obmann der Krahuletz-Gesellschaft, damals Prof. Dr. Heinrich Reinhart, wurde anlässlich einer Notgrabung des paläontologischen Instituts auf den an der Bergung teilnehmenden Burghard Gaspar aufmerksam und brachte ihn in den Vorstand der Gesellschaft als deren Schriftführer, Archivar und Bibliothekar.
Burghard Gaspar kann man ob seiner Vielfältigkeit und seines Engagements als einen ,,Glücksfall“ für seine Heimatstadt betrachten. 1980 wurde er auf Anraten des damaligen Kulturstadtrates Dr. Reinhart vom Gemeinderat zum Leiter der Volkshochschule der Stadt Eggenburg bestellt, eine ehrenamtliche Funktion, die er bis heute innehat. In Gaspars Amtszeit hat sich die Volkshochschule zu einer Bildungsinstitution entwickelt, die für die Stadt und für die Bürger nicht mehr wegzudenken ist, ja gar nicht weggedacht werden mag. Gaspar sorgt für ein Bildungsangebot, dessen Reichhaltigkeit angesichts der Größe der Stadt in Staunen versetzt. Bis zu 40 Kurse werden pro Semester angeboten und rege in Anspruch genommen, dazu kommen viele Vortragsabende. Gaspar ist ein „Lehrer“ im umfassenden Sinn. Nicht nur die Ausbildung von Fertigkeiten bei den jungen Menschen in der Volksschule ist ihm Beruf und Berufung, er vermittelt auch Wissen und Bildung, sowohl an den Nachwuchs als auch an die Erwachsenen. Dazu kommt, was seine Einstellung zu seiner Tätigkeit unterstreicht und absetzt: Wie er selbst sagt, mag er nicht nur Wissen weitergeben, sondern Werte. Wobei diese bei ihm nicht im politisch-ideologischen Sinn zu verstehen, sondern vorwiegend im Bereich der Persönlichkeitsbildung zu finden sind. Bewusstsein zu schaffen für den sorgsamen Umgang mit der aus der Geschichte und von Menschen geformten Umgebung, sein Programm also, ist sein „kategorischer Imperativ“.
Gaspar bleibt aber in seinem Engagement für Erwachsenenbildung nicht nur innerhalb der Stadtmauern Eggenburgs. Er pflegt internationale freundschaftliche Kontakte bei den jährlichen Seminaren Berlin-Ungarn-Österreich und kennt so die Bildungseinrichtungen der Teilnehmerstaaten, deren Entwicklung und Umstellungen in den letzten beiden Jahrzehnten. Wiederholte Teilnahme an Tagungen der Internationalen Akademie des Österreichischen Instituts für Politische Bildung in Prag und Budapest nach der Wende vermittelte ihm die Kenntnis der Situation der Erwachsenenbildung in unseren Nachbarstaaten. Seit l 990 ist er im Landesvorstand des Verbandes der NÖ Volkshochschulen Mitglied und mittlerweile dessen Schriftführer und Vertreter in zahlreichen Ausschüssen. Gaspar sorgt aber nicht nur für die Weiterbildung anderer, sondern ist selbst noch Kursbesucher: so absolvierte er beispielsweise einen zweijährigen Lehrgang für Erwachsenenbildungsmanagement. Bereits 1993 bekommt er den Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für Wissenschaft verliehen, 1997 wird er vom Verband Österreichischer Volkshochschulen mit dem Großen Verdienstzeichen ausgezeichnet.
Wer denkt, dass sich damit die umfangreiche Tätigkeit erschöpft, wird enttäuscht. Wobei bemerkenswerterweise alle seine umfangreichen Betätigungsfelder mit der Erwachsenenbildung verknüpft sind und das Engagement hierfür als eines seiner Lebenssätze gelten kann. Denn beim Preisträger fällt auf, dass er sich nie damit begnügt hat, Wissen zu erwerben, sondern dass er dieses Wissen den Menschen anbietet.
Ein markanter Fixpunkt in seinem heimatkundlichen Interesse ist der „Waldviertler Heimatbund“, dessen Schriftführer und Vizepräsident er ist, in dem über 1100 an der Regionalgeschichte interessierte Menschen organisiert sind. Wesentlicher Inhalt der Vereinstätigkeit ist unter anderem die vierteljährliche Herausgabe der Zeitschrift ,,Das Waldviertel“, in der anerkennenswerterweise auch „heiße“ zeitgeschichtliche Themen aufgegriffen werden. Gaspar ist ständiger Autor dieser Zeitschrift und vertritt hier die Eggenburger Themen, die sich nicht nur auf „weiche“ beschränken. Ihm ist zu verdanken, dass man sich der „Geschichte der Juden in Eggenburg seit dem Spätmittelalter“, so der Titel seines Beitrags im Buch des Heimatbundes „Die Erinnerung tut zu weh“, erinnerte. Er wird somit zum intellektuellen Gewissen seiner Stadt.
Seine zahlreichen Publikationen aufzuzählen, Bücher, umfassende Beiträge in Zeitschriften und Artikel, wäre hier unmöglich. Die Festschriften der Gemeinden Burgschleinitz / Kühnring und Straning/Grafenberg, sowie die zwei Bände mit historischen Ansichten von Eggenburg seien jedoch erwähnt. Mit seiner wissenschaftlichen Arbeit deckt er die Hintergründe und Strukturen von scheinbaren Selbstverständlichkeiten auf. So wurde beispielsweise den Bewohnern der, „Gartenstadt“, einer geplant angelegten Siedlung am Rande von Eggenburg, bewusstgemacht, welche Faktoren ihre konkrete Wohnsituation und unmittelbare Wohnumgebung beeinflusst haben. Gaspar legt dabei nicht nur auf die historischen Vorgänge Bedacht, er vermittelt in seinen Veröffentlichungen auch die Lebensbilder der handelnden Menschen. Ihm ist daher auch der ständige Kontakt mit älteren Mitmenschen besonders wichtig. Denn sie sind für ihn die Zeitzeugen der Vergangenheit, die ihre erlebte Geschichte erzählen, sie sind für ihn die Lehrmeister, die uns ihre Lebenserfahrung weitergeben. Dieser Respekt vor dem Mitmenschen ist es, der auch uns Respekt vor dem Preisträger abnötigt.
Mit seiner Schreibtätigkeit ist auch die (mehrfache) wissenschaftliche Betreuung und Gestaltung von historischen Ausstellungen im Krahuletz-Museum und für andere Einrichtungen verbunden.
Gaspars Konzentrationspunkt ist Eggenburg, wiewohl er, ganz „Stadtbürger“ und „Bürgerssohn“, nicht hier, sondern (aus Zufall“, wie er selbst sagt) in Grafenberg, einem Dorfunweit der Stadt, wohnt. Dieses seinen Individualismus unterstreichende Paradoxon ist nur damit erklärlich, dass man das Objekt seiner Liebe nicht innehaben muss, um es zu besitzen. Seine Verbundenheit zu seiner Geburtsstadt ist ungebrochen. Und er bedankt sich bei seiner Stadt mit seinem Engagement. Er ist da, wenn es gilt, für die Gemeinde oder für die Institutionen der Stadt zu arbeiten. Seit 1993 ist er Schriftführer der Krahuletz-Museum-Forschungsgesellschaft. Die Vielfältigkeit seines Einsatzes wird aber erst durch die seit 1995 ausgeübte ehrenamtliche Funktion des Stadtarchivars von Eggenburg einigermaßen komplett, übrigens eine Funktion, die synonym mit seinem Namen verwendet werden kann, sosehr ist er die – allerdings zeitgemäße! – Verkörperung dieser Aufgabe. Er sorgte für die Inventarisierung und Aufbereitung zur wissenschaftlichen Bearbeitung des gesamten Archivmaterials der Stadt, das bis 1277 zurückgeht, sowie für dessen EDV-Aufnahme. Er weiß, dass sich so manche Überraschung in den Schachteln verbirgt. Für seine wohl liebste Tätigkeit, der mit wissenschaftlicher Akribie betriebenen Aufarbeitung der lokalen Geschichte, ist er nun zur Quelle vorgestoßen.
Mit dieser zuletzt genannten Tätigkeit ist auch die ihm zumindest mit zu verdankende Rettung des alten Bürgerspitals und die Öffnung des nun mustergültig renovierten mittelalterlichen Areals inmitten der Stadt verbunden. Gaspars Einsatz hat die Zerstörung verhindert und dem Gebäude eine neue Funktion als Ziegelmuseum und als Stadtarchiv gebracht. Denn sein besonderes Anliegen war und ist die Bewahrung und Erhaltung alter Bausubstanz, der Bau- und Kunstdenkmäler sowie der Landschaftsschutz.
Für einen Lehrer in jeder Hinsicht ist er auffallend „leise“. Er bedauert jene, die interesselos und unengagiert dahinleben. Unglaubwürdig ist er nur, wenn er sich selbst als „faul“ bezeichnet. Seine Sehnsucht ist es, drei Leben zu haben, um alle Dokumente des Stadtarchivs zu lesen. Seine Kraft schöpft er aus der Familie, aus der Begegnung mit Freunden und mit der Kultur, sowie daraus, wenn es ihm gelungen ist, das Interesse anderer an der Geschichte der Heimat zu wecken.