Kulturelle Vielfalt
Es mag auf den ersten Blick ein wenig widersprüchlich erscheinen, wenn ausgerechnet eine Burgruine einen Preis in der Kategorie ,Kulturinitiativen/soziokulturelles Handeln“ erhält, verbindet man mit einer Ruine doch eher ein gerade noch sichtbares Zeichen von Vergänglichkeit und Verfall, demgegenüber schon alleine der Begriff,,Initiative“ bei vielen Kulturinteressierten mit kritisch, schräg, bunt oder neu assoziiert wird. Dass aber im sprichwörtlichen Sinn auch aus alten Ruinen neues Leben blühen kann, dafürbietet die Burgruine Reinsberg ein hervorragendes Beispiel.Soziokulturell angelegte Projekte und Initiativen im Prozess der kulturellen Entwicklung gibt es heute in einer kaum mehr überschaubaren Vielfalt, die nach Navigationshilfen ruft, um in der Menge an Angeboten nicht ganz die Orientierung zu verlieren. Im Spannungsfeld von postmoderner Realität und der Suche nach konstanten Werten gilt es daher, zwar das Bemühen um kulturelle Aktivitäten jeder Art zu loben, dabei aber nicht auf die Qualität und Relevanz solcher Aktivitäten zu vergessen.Besondere Qualitäten und eine weit über die Region hinausgehende Bedeutung zeichnet das,Kultur- und Tourismusnetzwerk Burgruine Reinsberg“ aus. Am Beginn der Revitalisierung des einstigen Herrschaftssitzes der Pfarr- und Klostergründerin Adelhaid von Reinsberg standen die Auseinandersetzung mit der regionalen Geschichte und darauf aufbauend die Suche nach regionaler Identität. Seit dem Jahr 1991 gelingt es den Initiatoren rund um die Heimatbühne, die örtliche Theatergruppe, mit Ausstellungen, Vorträgen und Aufführungen die Bevölkerung für das Revitalisierungsprojekt zu gewinnen, einzubinden und für den Ausbau der Anlage als Kulturzentrum zu begeistern. Heute sorgt ein professionell geführter Betrieb für die kulturellen und touristischen Angebote der Burgarena, getragen durch ein regionales Netzwerk verschiedener Institutionen: Gemeinde, Heimatbühne, Dorfwerkstätte, Musikverein, Gastwirte und Direktvermarkter. Man könnte der Burgruine Reinsberg in ihrer Funktion als Leitprojekt einer regionalen Entwicklung die Bedeutung als Stätte der Erinnerung geben, die als solche zum Symbol einer neu entstandenen regionalen Identität wird. Soziokulturelles Handeln soll in diesem Prozess der Regionalentwicklung in mehreren Bereichen dienen: im Bereich derBildung, der Wirtschaft, der Gestaltung des Lebensraumes, der Mitbestimmung und Übernahme von Verantwortung oder des Images und Lebensgefühls.In knapp einem Jahrzehnt ist den Initiatoren des Kultur- und Tourismusnetzwerkes Burgruine Reinsberg und ihrem Motor Karl Prüller gemeinsam mit der Ortsbevölkerung viel gelungen. Über 30.000 freiwillig geleistete Arbeitsstunden wurden von den Reinsberger Familien für die Bestandssicherung und den Ausbau der Burgarena aufgewendet. Durch den Einsatz zeitgemäßer Formen und Elemente wurde ein moderner Kontrast zu den Resten der ehemaligen Burg gesetzt. Besonders auffällig ist die ellipsenförmige Überdachung am unteren Burghof, angebracht an einem schwenkbaren Gittermast eines ausgedienten Autokrans. Diese Dachkonstruktion schützt, je nach Art der Veranstaltung, den Bühnenraum oder bis zu 400 Besucher. Die Renovierung der Burganlage erfolgte Hand in Hand mit einem besonders ambitionierten und durchdachten Kulturangebot. Das dahinterstehende Konzept versteht sich als offen, grenzüberschreitend und pluralistisch. Der Bogen an Darbietungen spannt sich von Theatereigenproduktionen bis zu Aufführungen der Monodramen ,,Der Traum eines lächerlichen Menschen“ von Fjodor Dostojewskij mit Erwin Lederer im Jahr 1999 und ,Gezeiten“ von Christoph Frühwirt mit Alois Frank im September 2000. Weiters finden sich zahlreiche Konzerte, Kabarettprogramme, Ausstellungen, Discos und Feste jeder Art im Veranstaltungskalender.Kultur aus der Region für die Region, dieses mancherorts vielleicht schon etwas überstrapazierte Motto ist für die Kulturaktivitäten rund um die Burgarena Reinsberg nach wie vor gültig. Kultur aus der Region für die Region, diesem Motto wird in Reinsberg in mehrfacher Hinsicht Rechnung getragen: in gemeinschaftsbildender und identitätsstiftender Hinsicht und selbstverständlich auch hinsichtlich der Qualität des Dargebotenen.