Soziales Engagement und Kunst
Schon sehr bald nach ihren Studien an der «Angewandten» in Wien und der Jan-van-Eyck-Akademie in Maastricht gelang es den beiden Schwestern, sich international zu positionieren. Fast immer entwickeln die Zwillinge ihre Projekte gemeinsam, wobei sie mit den verschiedensten Medien und Materialien arbeiten, um ihre Anliegen künstlerisch umzusetzen. In ihren Installationen finden sich Malerei und Zeichnung ebenso wie Pflanzen, Videos, Textiles, Kunststoff, (möbelhafte) Objekte aus Holz oder Metall. Dabei sind ihre Problemkreise höchst vielfältig und oft auf sehr komplexe Weise miteinander in Verbindung gebracht. Soziales Engagement einzubringen ist eines ihrer Themen, wobei sie sich mit der Situation von gesellschaftlich benachteiligten Menschen befassen. So wurde etwa der Krieg im Kosovo zum Anlass, bei der Biennale in Venedig 1994 ein modellhaftes Haus für vertriebene Frauen mit Kindern zu konstruieren. In Berlin arbeiteten die beiden Künstlerinnen intensiv mit Patientinnen und Patienten einer Nervenklinik zusammen. Die Ergebnisse zeigten sie als «integrale Kunstprojekte». In Arnheim kooperierten die Schwestern mit den Insassen eines Gefängnisses. Andere Projekte ermöglichten therapiebedürftigen Menschen die Entfaltung ihres kreativen Potenzials in der freien Natur, indem gemeinsam Gärten angelegt wurden. Bei all diesen Arbeiten fließt die individuelle Leistung in die Gesamtheit der Gruppe ein, die einzelne Künstlerpersönlichkeit tritt zugunsten einer «multiplen Autorenschaft» zurück. Christine und Irene Hohenbüchler arbeiten auch immer wieder mit Kindern, mit Studierenden im Zuge der Lehre an Universitäten und Kunstinstitutionen oder mit ausländischen Künstlerinnen und Künstlern, wobei die Sprachbarriere durch Bildwerke überbrückt wird. In etlichen ihrer Ausstellungen animieren die Zwillinge das Publikum zur Mitarbeit. Es darf gestrickt, gewebt oder gefädelt werden. Die Aufforderung zur Interaktion setzen die Hohenbüchlers auch besonders eindrücklich im Bereich der Sprache ein. So luden sie ausländische Jugendliche zur Gestaltung einer viele Meter langen Wand bei einem Wiener Markt ein, um dort Zitate oder eigene Texte in ihrer Muttersprache zu formulieren und bildhaft zu gestalten. Eine ästhetische Aufgabe wurde somit einer ethisch relevanten Lösung zugeführt, indem «Randgruppen» die Möglichkeit erhielten, sich in der Öffentlichkeit zu artikulieren. In anderen Sprachprojekten wurden historische Bezüge hergestellt («Eiserner Vorhang», Wiener Staatsoper, 1999) oder persönliche Lebenserfahrungen verbalisiert («Gegen das Vergessen», 2001). Sprache, Texte und «Texturen» bilden wichtige Elemente im Gestaltungsvokabular der Künstlerinnen. Das «Textile» aus dem Bereich der «angewandten» Kunst gewährt die Anbindung an den Alltag. Damit können biografische Erinnerungen und Befindlichkeiten ausgedrückt, Assoziationen geweckt, aber auch Mythen und Träume visualisiert werden. Mit auf dem Boden liegenden oder netzartig von der Decke schwebenden textilen Bahnen, Seilen, Fäden, Schnüren oder transparenten Stoffen schufen Christine und Irene Hohenbüchler neue Raumerlebnisse (Boston, 2003) oder stellten Wechselbeziehungen zur um gebenden Architektur her (Middelburg, 1994). Das Projekt «lost utopies» untersuchte explizit die «Parallelitäten zwischen Architektur, Lebensentwürfen und textilen Produkten». Christine Hohenbüchler, Professorin an der Technischen Universität Wien, bringt Architekturdetails in großformatige Zeichnungen ein, die Irene Hohenbüchler mit biomorphen Möbeln oder Ornamentalem ergänzt. Überhaupt bildet die Zeichnung ein wichtiges Medium der Reflexion: Serien beschäftigten sich mit Autobiografischem, mit der Problematik des Mädchen- oder Frauseins und häufig mit Kindern. Darstellungen von Pflanzen neben Skeletten von Einzellern zeigen «Strukturen des Lebens».Die Schwestern leben seit ihrer Kindheit in Eichgraben, sie sind seit 20 Jahren international tätig. In Niederösterreich führten die beiden Künstlerinnen Arbeiten im öffentlichen Raum in Eggenburg, Amstetten und Schiltern durch