Cinema Paradiso

Sonderpreis
NÖ Kinokultur
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Passion pure

Das Kinosterben schien vor allem in Niederösterreich in den 90er-Jahren eine Wüste zu hinterlassen. Multiplex-Kinos verdrängten die wenigen Programmkinos. Auch in der Hauptstadt wurde das Filmerleben auf Blockbusters am Stadtrand reduziert. Diesen Verdrängungswettbewerb wollten einige enthusiastische Liebhaber der bewegten Bilder nicht einfach hinnehmen und wurden selbst aktiv. Alexander Syllaba und Clemens Kopetzky gründeten den Verein «Cinema Paradiso» und veranstalteten ab 1992 jedes Jahr im Sommer das Open-Air-Festival «Film am Dom». Die St. Pöltener Stadtbewohner und jene aus dem Umkreis kamen in Scharen, um endlich wieder Meisterwerke der Filmkunst, cineastische Neuheiten und kurze Vorfilme auf der großen Leinwand schauen zu können. Auch die wöchentlichen Spätvorführungen der Aktivisten im ehemaligen C2-Kino am Rathausplatz waren ein Erfolg und zeigten das Bedürfnis nach einem Ort, der Kinokultur pflegte.
Als das C2 endgültig seine Pforten schloss, begannen Syllaba und Kopetzky an einem Konzept zu arbeiten, das den Umbau und Ausbau zu einem Alternativkino in der Innenstadt von St. Pölten vorschlug. Es wurde ein langer Kampf um das Programmkinoprojekt, die wichtigste Kunstform des 20. Jahrhunderts schien beinahe der Unterhaltungsindustrie zum Opfer zu fallen in der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Aber das unermüdliche Engagement der leidenschaftlichen Kinobetreiber und vor allem ihr kluges, ausgewogenes Programmkonzept für das «Cinema Paradiso» überzeugten schließlich auch die Kulturpolitik. Mittlerweile nicht ganz zwei Jahre nach der Eröffnung im Dezember 2002 ist das «Cinema Paradiso» als lebendiger sozialer und kultureller Ort fest im Leben von St. Pölten verankert, das Angebot von anspruchsvollen Filmen, vorgeführt an einem Ort, der zum Verweilen und Kommunizieren einlädt, wurde von Beginn an erfreut aufgenommen. Schon bei der Architektur wurde die Tradition des niederösterreichischen Wirtshauskinos weiterentwickelt und auf eine einheitliche Gestaltung zwischen Kino und Gastronomie geachtet. Der Umbau brachte dem Kino nicht nur einen notwendigen modernen Stand der Vorführtechnik, sondern auch zwei multifunktionale Säle.
Denn das «Cinema Paradiso» ist wohl zu aller erst Programmkino, das alle Filmgenres berücksichtigt, zu Diskussionen mit Regisseuren und Regisseurinnen, Kuratoren und Kuratorinnen und Zeitzeugen und Zeitzeuginnen einlädt und anderen österreichischen Festivals wie etwa der Diagonale, Tricky Women oder der Viennale Gastspielstätte ist. Nicht nur das cineastische Erleben, sondern auch der Diskurs und die Konfrontation haben ihren Raum. Darüber hinaus wird das Kino auch zum Kulturzentrum, bietet Konzerte, Kleinkunst und Kabarett sowie Sonderveranstaltungen wie Lesungen, Kinderkino und thematische Reihen. Für die österreichischen Filmschaffenden wurde endlich auch in Niederösterreich ein verlässlicher Partner für die vielfältige Produktion des heimischen Kinos aufgebaut. Mit Gerald Krell wurde ein Geschäftsführer gefunden, der seine Leidenschaft für den Film wie auch seine umsichtige Betriebsführung unter Beweis stellen konnte. Sein Spielplan umfasst nicht nur das arthouse-Kino, sondern auch den jungen österreichischen Film, klassisches Hollywood-Kino, Reihen in Originalfassung und experimentelle Filme. Kooperationen mit anderen Kulturinitiativen aus der Region haben zur starken Integration des «Cinema Paradiso» im Kulturgeschehen der Stadt beigetragen. Das monatliche Programmheft wird an 4.500 Abonnementen versendet, im Jahr kommen bereits 120.000 Zuschauer. Der diesjährige Kulturpreis soll die Philosophie und die Aktivitäten des gesamten Teams, vor allem jenes der Initiatoren des «Cinema Paradiso» würdigen, aber auch eine Bekräftigung der Förderverpflichtung seitens der Landespolitik für eine lebendige Kinokultur in Niederösterreich sein.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2004