Cornelia Hülmbauer

Literatur
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Legen alle Töchter im Büro den Finger in die Klammermaschine?

Mit ihrem Romandebüt „oft manchmal nie“ gelingt der bislang als Lyrikerin hervorgetretenen Cornelia Hülmbauer das sprachkritische und pointierte, aber auch einfühlsame Porträt eines in der niederösterreichischen Provinz heranwachsenden Mädchens aus der Arbeiterklasse. Hülmbauer, die bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, u. a. mit dem Theodor-Körner-Preis, legte 2018 einen Lyrikband mit dem onomatopoetischen Titel „mau oeh d“ vor. Das Schreiben über seine Kindheit nannte Walter Benjamin einmal „Verfahren der Impfung“, mit dem er die damit verbundenen Sehnsuchtsorte und -bilder hervorruft, und – dies auch ein wesentlicher Aspekt von Hülmbauers autofiktionalem Roman – sich selbst deren „notwendige gesellschaftliche Unwiederbringlichkeit“ vor Augen führt. In Hülmbauers Coming-of-Age-Geschichte, die sich in die Tradition der österreichischen Anti-Heimatliteratur fügt, sind es verschiedene aus dem Strom der Erinnerung ragende Wörter, Begrifflichkeiten, Dinge, Gerüche, Orte, aber auch Dialektismen der Kindheit, die den Lesenden andeuten, dass das Vergessene nie vollständig zurückgewonnen werden kann. In einfacher, aber umso präziserer Sprache wird die Kindheit als Tochter des Inhabers einer Autowerkstatt in konzisen und knappen, aber literarisch sorgfältig gearbeiteten Momentaufnahmen heraufbeschworen. Diese Erinnerungs(-bruch)-
stücke sind in konsequenter Kleinschreibung gehalten, auch ein Stilmittel des unaufgeregten Umgangs mit dem Sprachmaterial. Verhandelt werden im Text Geschlechtsidentität, Klassenzugehörigkeit und Sexismen. Banalitäten, wie die von Eltern und Großeltern zitierten Bauernregeln, wird, ebenso wie kindlichen Abzählreimen, eine poetische Qualität abgerungen. „Scham“ in Zusammenhang mit der eigenen Herkunft ist in Hülmbauers Text kein explizites Movens der Erzählung, vielmehr ist eben die individuelle Erinnerung das literarische Werkzeug für die Analyse der eigenen Herkunft.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2023