Gekonnt, feinsinnig, kontrastreich
Was dem Kritiker des Oberösterreichischen Tagblatts angesichts seiner ,,Drei Aphorismen für Streichorchester“ als Charakteristik eingefallen ist, läßt sich durchaus auch auf ihren Komponisten, Dietmar Schermann, münzen. Zumal er längst nicht nur über das erforderliche Handwerk zum Komponieren verfügt, sondern sich stets auch als feinsinniger Musiker präsentiert, der zudem um die Kunst weiß, Spannungen nicht nur zu erzeugen, sondern sie auch gemäß aufzulösen. Beinahe selbstverständlich, hält man sich freilich die bisherige Karriere dieses 1957 geborenen Mödlingers auch nur einigermaßen vor Augen. Musik war nämlich schon ein bestimmendes Thema in seinem Elternhaus. So spielte der Vater nicht nur mit der Mutter gemeinsam Klavier, sondern wirkte auch in einer Band. Allein der Wunsch, ganz diesem Metier zu leben, wurde ihm von seinem Elternhaus nicht erfüllt. Was auch ein Gutes hat. Wer weiß, ob er sonst dem Plan seines Sohnes, Dirigent zu werden, so verständnisvoll gegenübergestanden wäre? Vorerst freilich konzentrierte sich Dietmar Schermann aufs Klavierspiel, erprobte sich damit stellenweise in gleich zwei Bands und suchte zu vor allem auch technischen Vervollkommnung auf diesem Instrument Professor Alexander Jenner auf. Bei ihm erhielt er zwar rasch den erhofften pianistischen Schliff, erkannte aber auch, daß ihm das Talent für die angestrebte große Karriere doch abging. So reifte der Plan, Dirigent zu werden. Unmittelbar im Anschluß an die Matura inskribierte Schermann daher Musikwissenschaft an der Wiener Alma Mater Rudolphina, vor allem aber die entsprechenden Klassen an der Wiener Musikhochschule, mithin Tonsatz bei Heinrich Gattermeyer, Korrepetition bei Harald Goertz, Orchesterdirigieren bei Karl Österreicher und Chorleitung bei Günther Theuring. Eben damit war auch schon die Entscheidung für die weitere Laufbahn, wenngleich in eine andere als die angestrebte Richtung, gefallen. Auf Grund seiner Leistungen im Tonsatz auf ihn aufmerksam geworden, riet ihm Heinrich Gattermeyer, sich fortan vor allem aufs Komponieren zu verlegen, dem Schermann auch zustimmte. Und zwar so konsequent, daß er sich dazu ausschließlich von Gattermeyer anleiten ließ, so man überhaupt Komponieren erlernen kann. Eine Frage, die gerade im Falle Schermann besonders aktuell ist. Immerhin ist er seit seinem Studienabschluß als Lehrer an der Wiener Musikhochschule tätig, wo er es bereits zum funktionellen Hochschullehrer mit einer eigenen Tonsatzklasse gebracht hat. Hier auf seine Erfahrungen mit Gattermeyer bauend, der ihn schließlich als Assistent zum Lehrberuf auch inspiriert hat, gibt Schermann zwar auf konkrete technische Fragen die entsprechenden Antworten, versucht aber andererseits seine Schüler möglichst frei von eigenen Vorlieben zu unterrichten. Wie Schermann überhaupt sich weigert, besondere Vorbilder für seinen eigenen kompositorischen Weg zu nennen. Nur so viel ist ihm zu entlocken: Musik muß mit dem Menschen korrespondieren können, handwerklich gekonnt geschrieben sein, mit den erforderlichen Spannungskurven aufwarten und soll insgesamt bewegen können. Oder anders gesagt: Schermann liegt so gut wie nichts an kalkulierter Musik oder an Komponisten, die auch anderswo ihren Mann genausogut stellen könnten, wozu ihm noch das Stichwort Grafik einfällt. Wo andere sich in auch mathematischen Experimenten ergehen, ihren Spaß an der Bewältigung elektronischer Probleme haben oder aber ihr Faible dokumentieren, minutiöseste Partituren vorzulegen, also Stücke in serieller Manier zu konzipieren, eben dort erinnert sich Schermann seiner übrigen Praxis als ausübender Musik und setzt stets auf die allemal Zugkraft von erfülltem Melos, zündender Rhythmik, aber auch klare Gliederung sowie pulsierende Musikantik. Schließlich ist es Kennzeichen jeder guten Musik, daß sie sich nicht nur bis ins Detail analysieren, sondern mit wirklichem Engagement realisieren läßt. So sehr ihm auch die Zweite Wiener Schule grundsätzlicher Ausgangspunkt für seine kompositorischen Bemühungen war, so bald war sich Schermann im klaren darüber, daß ihn persönlich nur deren Espressivo als Ansatzpunkt dienen könnte. Gewiß auch eine Erkenntnis aus dem Faktum, daß diese Zweite Wiener Schule zwar die Emanzipation der Dissonanz durchsetzte, eben damit aber gleichzeitig die musikalische Weiterentwicklung in eine ziemliche Sackgasse trieb, aus der man erst nach und nach herausfindet. Was also hat Schermann, der sich selbstverständlich auch seine Gedanken über die Popularisierung zeitgenössischer Musik macht, mittlerweile geschrieben? Einmal verschiedene Kammermusiken, gleichermaßen klar organisierte wie von Esprit wirklich sprühende Orchesterstücke, Lieder, aber auch eine Bühnenmusik zu Wedekinds „Lulu“ für eine Aufführungsserie im Wiener Schauspielhaus. Und inmitten der Arbeit steckt der vor allem die Ferienmonate zum Komponieren nutzende und sich ansonsten als glühender Pädagoge verstehende Schermann mit einem für Mexiko City bestimmten Orchesteropus sowie einem schon demnächst im Wiener Konzerthaus erklingenden Capriccio für Kontrabaß und Streicher, was immerhin Herbert Prikopa initiiert hat.