Ein Schloss als Herausforderung
Als Dr. Gerhard Großberger 1953 am Wiener Realgymnasium Albertgasse maturierte, lautete eines seiner Themen:,, Das Musikalische in der Romantik“. Ohne das er es damals wissen konnte, war damit die Leitlinie für sein künftiges Wirken vorgegeben. Dabei hatte der 1935 in Wien Geborene vorerst durchaus andere Pläne. Ursprünglich nämlich wollte er nach der Matura Germanistik und Latein studieren, wogegen aber die damals tristen Berufsaussichten sprachen. Also inskribierte er an der Hochschule für Welthandel Industrie und promovierte hier mit einer Arbeit über die betriebswirtschaftliche Partnerschaft. Übrigens neben dem Beruf, denn mittlerweile arbeitete Gerhard Großberger schon in der Girozentrale. Zuerst in der Scheckeinziehung und anschließend in der Kreditabteilung, wo er rasch zum Kreditprüfer aufstieg.
Dennoch sehnte er sich bald nach einer anderen beruflichen
Herausforderung. Als er auf der Suche nach einer bestimmten Publikation sein altes Hochschulinstitut aufsuchte, fiel sein Blick auf einen Aushang am schwarzen Brett. Der Gutsherr von Grafenegg suchte, und dies schon seit einiger Zeit, einen neuen Rentmeister. Kurz entschlossen bewarb sich Dr. Großberger, wurde von Franz Albrecht Metternich-Sandor mit seinen Aufgaben bekannt gemacht und trat vor heute 27 Jahren nämlich am 1. September 1965 sein neues Amt an.
Lebhaft erinnert sich Gerhard Großberger an den Wandel seiner Aufgabe. War in seinem Bankbüro die Klimaanlage längst Selbstverständlichkeit, so galt es in Grafenegg, eine noch ziemlich devastierte Land- und Forstwirtschaft langsam wiederaufzubauen und dazu nach und nach auch die Gebäude wenigstens halbwegs wieder instand zu setzen. Dabei kam Großberger mit dem damaligen Landes- und späteren Oberstaatskonservator Dr.Josef Zykan in Kontakt, und gemeinsam wurde vorerst einmal ein Programm für die Dachrestaurierung des immer noch ruinengleich dastehenden Schlosses Grafenegg entwickelt. Bund, Land und der Schlossherr verpflichteten sich je zu einem Drittel, hier ihren Beitrag zu leisten.
Als dieses Projekt nach drei Jahren 1970 realisiert war, begann Gerhard Großberger Überlegungen anzustellen, wie man sich auch künftighin das Interesse der öffentlichen Hand sichern könnte. Gab es doch noch Jahre zu tun, um schloss Grafenegg, dieses durch die Kriegswirren schwer in Mitleidenschaft gezogene Juwels des Historismus, wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Also suchte Gerhard Großberger nach einer auch wirtschaftlich tragfähigen Möglichkeit, die begonnene Restaurierung mit der Idee der Revitalisierung zu verknüpfen. Eine Reihe mit kleinen Veranstaltungen und zum Ambiente des Schlosses passenden Ausstellungen bot sich als Lösung an. Beginnen wollte man diese Serie mit dem fünfzigsten Geburtstag des Schlossherrn.
Tatsächlich aber verzögerte sich dieser Plan noch ein Jahr. 1971 aber war es dann so weit. Gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt wurde eine Dokumentation zum Thema ,,Grafenegg und der Schloss bau der Romantik“ gestaltet und mit Auftritten des Gamerith Consort sowie des Klassischen Wiener Schrammelquartetts mit Burgschauspieler Fritz Lehmann der Reigen der ,,Schloßkonzerte Grafenegg“ eröffnet.
Hatte Großberger ursprünglich gedacht, damit ein Angebot für die nähere Umgebung zu schaffen, so zeigte sich bald, dass der Großteil der Besucher aus Wien und seinem nächsten Umfeld kam. Ein Faktum, das sich auch durch die beiden, 1984 und 1987in Grafenegg gezeigten Niederösterreichischen Landesausstellungen über ,,Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs“ nicht wesentlich geändert hat. Damit muss Großberger bei der Konzeption seiner Veranstaltungen nach wie vor die Wiener Kulturofferte besonders berücksichtigen.
Im Laufe der Jahre hat Großberger, der bei diesen Veranstaltungen bewusst auch Kooperationen sucht, die Palette geweitet. Nicht nur, dass längst Konzerte und Lesungen, aber auch Mischveranstaltungen, wie beispielsweise kommentierte Weinverkostungen, vom 1. Mai bis hin zum Nationalfeiertag jährlich auf dem Programm stehen, kommen hier in den letzten Jahren auch verstärkt junge Interpreten zu Wort. Gelungen ist es darüber hinaus auch, den Schallplattenkonzern SONY für Grafenegg zu interessieren, was mittlerweile zu einer Reihe von CD-Aufnahmen in der Reitschule geführt hat.
Von Beginn an auf größtes Publikumsinteresse ist freilich auch der mit dem ORF und unter Mitwirkung der NÖ Handelskammer veranstaltete Grafenegger Advent gestoßen, mit dem Dr. Gerhard Großberger nun schon seit Jahren vorzeigt, dass sich qualitativer Anspruch durchaus mit regem Publikumsinteresse treffen kann.
Für die Zukunft freilich sieht Dr. Großberger einige Herausforderungen herankommen. Längst machen es die extrem gestiegenen Versicherungssummen immer schwieriger, selbst als Ausstellungsorganisator aufzutreten. Deshalb hat man sich auch in Grafenegg entschlossen, stattdessen die Räumlichkeiten für bereits fertige Ausstellungen zu vermieten. Nicht minder schwierig erweist sich die Programmierung der einzelnen Veranstaltungen, zumal das Publikum beinahe nur mehr kulinarische Zusammenstellungen mit bekannten Namen goutiert. Offen aber ist auch die Frage der Fortführung der im 2-Jahres-Rhythmus bisher veranstalteten ,,Woche der romantischen Musik“, zumal sich bisher gezeigt hat, dass dieses vor allem auf Vokalbeispiele konzentrierte Festival nicht auf jenes Publikumsinteresse gestoßen ist, wie man allgemein angenommen hat. Aber schien Dr. Gerhard Großberger nicht auch bei der Restaurierung des Schlosses und beim Anlauf seiner Revitalisierung zuweilen vor schier unlösbare Probleme gestellt, die schließlich doch souverän bewältigt wurden?