Navigator im Universum der Zeichen
Vielgestaltig kompliziert ist das Werk von Ecke Bonk auf einen ersten Blick – Editionen, Bücher, Graphik- besser Typographie, Konzepte, Texte, Erfindungen, Sprach- und Logokreationen, Ausstellungen, Installationen, kuratorische und pädagogische Arbeit. In allen Facetten hat dieses komplexe Werk immer zwei Seiten: eine intellektuelle und eine gestalterische Komponente.
Ecke Bonk ist ein Forscher-Künstler, ein Erfinder-Künstler. Er gleicht einem Navigator durch das Universum der Zeichen, durch die Dimension ihrer Geschichte und Begründung, in die Sphäre ihrer kreativen Neuordnungen- konzeptuell und maschinell – bis hinein in utopische Ordnungen und universale Modelle. In dieser Navigation gibt es Fixpunkte, die gleich Fixsternen dem Firmament ein Gerüst verleihen: einer trägt den Namen Marcel Duchamp und bezeichnet die wohl wichtigste Künstlerpersönlichkeit des zwanzigsten Jahrhunderts, ein anderer Fixpunkt trägt viele Namen, bezeichnet aber, summarisch ausgedrückt, die naturwissenschaftlichen Innovationen des vergangenen und gegenwärtigen Jahrhunderts. Marcel Duchamp und seinem Werk hat Ecke Bonk ein Buch gewidmet, und gerade ist eine Ausstellung zu Marcel Duchamp und Joseph Cornell in Fertigstellung.‘ Die großen Wissenschaftler und Konstrukteure unseres modernen Weltbildes durchkreuzen die Arbeiten und das Denken Ecke Bon ks in mehrfacher Weise- modellhaft, konstruktiv und als Signaturen. In einer kleinen Bibliothek für das 21. Jahrhundert hat er GUSTAV THEODOR FECHNER: Uber die physikalische und philosophische Atomenlehre und HERMANN VON HELMHOLTz: Schriften zur Erkenntnistheorie‘ neu herausgegeben. Im Nachwort zu dieser Erkenntnistheorie stellt Bonk eine Verbindung der beiden Angelpunkte her: die exemplarische Leistung von Marcel Duchamp war mithin (auch) aus seiner Auseinandersetzung mit dem Wissen seiner Zeit besonders mit Henri Poincareund einem wissenschaftlich disponierten Weltverhältnis entstanden. Die Rezeption der Naturwissenschaften der letzten beiden Jahrhunderte und phantastischen Perspektiven, die dieses Wissen aufunser Universum eröffnet hat, möchte Ecke Bonk als Ausgangspunkt und Schlüssel künstlerischer Kreativität und einer möglichen Ästhetik des 21. Jahrhunderts sehen.
In seinem Beitrag zur documenta X, gemeinsam mit Richard Hamilton, gibt er dazu eine Art Dispositiv vor; „infowell“ heißt ein Referenzsystem, in dem die großen Welttheoretiker, Erfinder und Systematiker- von Athanasius Kircher bis Alan Turing und noch weiter – den Texten und der Terminologie des Wissens der Gegenwart und weiter noch dem spezifischen Kosmos der digitalen Maschinen und ihrer Begrifflichkeit gegenübergestellt werden.’„Thetyposophic texture“ – die Texte, die Bildzitate, die Annotate bezeugen, daß alles Wissen, alle Zeichengebung nicht nur Modelle der Welt ausbildet, sondern Welt erzeugt und gestaltet.
1993 hat Ecke Bonk in einer Ausstellung – „Weltmodelle“ – den Modellcharakter untersucht, indem er Entwürfe aus der historischen Wissenschaftsgeschichte Universalien aus der (Massen-) Kultur der Gegenwart gegenüberstellte.
Die Nahsicht auf einzelne Projekte läßt einen roten Faden durch die Werke und die komplexen Aktivitäten wahrnehmen; der Motor der Navigationen Ecke Bonks scheint ein fundamentales Erkenntnisinteresse zu sein, die Zielsetzung könnte der Entwurf einer neuartigen, universalen Kosmologie sein, deren Eigenschaften die Darstellungsmittel (und die Ästhetik) des kommenden Jahrhunderts vorgeben.
„Aber,kosmos‘ heißt Ordnung, und Wahrscheinlichkeit und Unwahrscheinlichkeit hängen mit Ordnung und Unordnung aufs engste zusammen. Die Gesetze, die diese Beziehung steuern, gehören zu den mächtigsten Vorschriften der Natur; steuerten auch die unwahrscheinlichsten Wendungen ihrer Entwicklung. Die scheinbar zufälligste Veränderung.“
Wahrscheinlichkeit(en) spielen ihre Rolle in der Kombinatorik der Forschungen und Erkundungen, der Zufall als Prinzip und Potential eröffnet Spielmöglichkeiten. Dieser Dynamik steht höchste Genauigkeit der Recherche und größte Präzision der Darstellung gegenüber. Auch in diesen Strategien und Arbeitsweisen folgt Ecke Bonk dem großen Innovator Marcel Duchamp.
Ein Fokus des Interesses lag immer auch in Ordnungen, in Systemen, in Strukturen. In der Form der Vernetzung zeigt dies bereits das Projekt „Netzüberführung“ für die documenta (1977). Die Erkundung von Systematisierungen erstreckt sich auf alle Bereiche – die Sprache, die Wissenschaft, die Typographie; im Projekt „Periodensystem der Elemente“ findet und untersucht Ecke Bonk ein Konzentrat und eine Synthese von Ordnungsmustern. Als Systeme erscheinen auch die Maschinen und ihre Programme, die Darstellungsmodelle und Darstellungsmuster schaffen können.“
Die Frage nach der Struktur unterlegt dem Spiel mit Zeichen, mit Bezeichnungen, Bedeutungen – also dem Sprachspiel -, das typographisch – typosophisch im eigentlichen Sinn- erweitert wird, eine Suche nach den Grundlagen, nach den Fundamenten des Verständnisses; aus der Textur soll, anagrammatisch anverwandelt „Urtext“ deutbar werden. So schreibt Bonk zu dem Wort (Bild/Begriff) „in formation“:
„Wahrnehmung ist nicht nur eine Form von Bildung, von Gestalt. Wahrnehmung setzt Gestaltung, setzt Bildung, setzt etwas voraus, das information befindlich ist, zumindest sein sollte. Wahrnehmung und Erkennen, seit den photophilen bzw. photophoben Anfängen der Reizstruktur, ist etwas, das der platten, einebnenden Wahrscheinlichkeit entgegengesetzt ist- mit einer Ausbildung der Unterschiede, des Unterscheidbaren. „Informationsprozesse‘, das sind Prozesse in Formation, laufen auf Ordnung hinaus, zielen immer auf das Unwahrscheinliche … -,
Eine „Typosophie“, erdacht und eingerichtet von Ecke Bonk,“ schafft nun den Rahmen für weitere Erkundungen über die Zeichen, ihre Systeme und Gestalten, und über ihre wirklichkeits- und weltkonstitutiven Qualitäten.