Die Varianz eines Problems, das mehrere Gesichter hat
Mit Elke Krystufek als Preisträgerin wurde heuer dem ,,bisherigen Lebenswerk“ einer sehr jungen Künstlerin Rechnung getragen. Für die Entscheidung der Jury war maßgeblich, einmal etwas nicht zu tun: nämlich die Vorgabe, das bisherige Lebenswerk eines Künstlers oder einer Künstlerin zu würdigen, selbstredend mit dem Schaffen eines Künstlers oder einer Künstlerin einer älteren Generation zu assoziieren. Gerade aus kulturpolitischer Perspektive scheint diese Entscheidung von Bedeutung, um einer für Österreich signifikanten Tendenz zur Verspätung im Zusammenhang mit der öffentlichen Wertschätzung künstlerischer Praktiken etwas entgegenzusetzen, mit anderen Worten: den Beweis anzutreten, dass es nicht immer dervorauseilenden internationalenAkzeptanz einer künstlerischen Position bedarf, um deren Relevanz auch im eigenen Land und vor allem zeitgemäß zu erkennen. So jung die 1970 in Wien geborene Künstlerin auch sein mag, die ihre Jugend und damit – im Wortlaut von Elke Krystufek – „ihre ersten beiden Dekaden“ in Niederösterreich verbracht hat, so umfassend ist ihr bisheriges Lebenswerk. Wollte man einen quasi statistischen Blick aufihr Schaffen werfen, um allein aus der Anzahl der Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland einen Indikator für die Bestimmung der Qualität und Bedeutung ihrer Praxis zu gewinnen, so würde schon dieses Kriterium ausreichen, um die für die Preisvergabe erforderliche Bedingung, von einem ,,Lebenswerk“ sprechen zu können, zu erfüllen. Sie hatte -um nur einige herauszugreifen-bereits 1993 Einzelausstellungen in der Wiener Galerie Metropol und in der Berliner Bruno Brunnet Fine Arts Galerie, etwas später eine Show in der New Yorker Gallery, heuer war sie mit einer Einzelausstellung in der Galerie Georg Kargl in Wien zu sehen; sie war gleichfalls 1993 schon aufder Aperto im Rahmen der Biennale von Venedig vertreten, sie nahm Teil an wichtigen und thematisch konzipierten Gruppenausstellungen-etwa 1994 an derAusstellung ,,Suture – Phantasmen der Vollkommenheit“ im Salzburger Kunstverein, oder erst unlängst an der für die Generali Foundation in Wien kuratierten Ausstellung „Double Life“ (2001) etc. Diese Liste von Referenzen ließe sich nicht nur fortsetzen, sondern weist zugleich auf einen anderen Aspekt ihrer Arbeit, auf einen Aspekt, den man in moderner Manier gerne mit der Rede vom ,,Schaffensdrang“, ja mit einer Obsession vergleichen würde. In einer bürgerlichen Terminologie würde man dieses Moment des Obsessiven schlicht mit einer Ethik des Fleißigen umschreiben. Dies ist mit verantwortlich dafür, dass sich die verschiedenen Arbeiten von Elke Krystufek allein in den letzten zehn Jahren zu einem CEuvre verdichtet haben, das die Charakterisierung als ,,bisheriges Lebenswerk“ verdient. Aber die Berufung auf eine Obsession – oder wenn man so will: auf eine Ethik des Fleißigen, würden nicht ausreichen, um per se schon die Bedeutung einer Arbeit zu rechtfertigen. Im Gegenteil: Die Fokussierung aufs Obsessive würde aus dem künstlerischen Schaffensdrang ein höchst individualistisches Unterfangen konstruieren, dessen Relevanz für einen an sozialen und kulturellen Fragen orientierten Kunstbegriff nur bedingt zutreffen würde. Was das Obsessive als Signatur des Individualistischen verdeckt, ist seine kulturelle Einbettung. Und wenn hier von kultureller Einbettung die Rede ist, dann im Sinne einer Reflexion der sozialen und gesellschafts- wie geschlechtspolitischen Rahmenbedingungen, aus denen eine künstlerische Arbeit entsteht und auf die sie reagiert. Nur vor diesem Hintergrund wird die für das Werk von Elke Krystufek charakteristische Koexistenz einer höchst selbstbezüglichen und zugleich kulturellen Dimension wahrnehmbar. Selbstbezüglich ist ihre Arbeit darin, dass sie ihren eigenen Körper, die Konstruierbarkeit ihrer Identität und ihr Begehren heranzieht, um an sich selbst die gesellschaftlich normierten wie tabuisierten Handlungsspielräume zu exemplifizieren. Spannend im wörtlichen Sinne wird ihre Praxis darin, dass sie einen Spannungsbogen zwischen diesen beiden Dimensionen des vermeintlich Privaten wie Öffentlichen entwickelt. Ein kleines Beispiel dafür wären etwa die Selbstporträts, in denen Krystufekihr eigenes Antlitz jenem der Ikone Marilyn Monroe annähert. Eine Grenzziehung, wo das Private beginnt und wo die gesellschaftliche Vorstellung des Öffentlichen endet, erscheint perforiert, ja fragwürdig. Die vielen Diskussion und Kontroversen, die die Arbeiten von Elke Krystufek in den letzten Jahren ausgelöst haben, lässt aus dieser Perspektive
auch den Schluss zu, dass dieses Moment des Obsessiven, das wir vorhin angesprochen haben, eher aufder Seite der Gesellschaft und im Speziellen in deren Grenzziehungsbedürfnissen zu finden ist. Wollte man diesen Spannungsbogen anders formulieren, so könnte man auch sagen, dass Krystufek ein Subjekt markiert, das auf der Suche nach der eigenen Identität unentwegt auf kulturelle und politische Vorstellungen stößt, die dieses Subjekt als Frau festzuschreiben suchen. Kaum paradox erscheint dann die Tatsache, dass sich eine Frau und die mit einer Frau assoziierten Rollenbilder als inkongruent herausstellen. Nicht inkongruent erscheint allerdings, was man aufden ersten Blick als weit gefasstes mediales Spektrum ihres Werks beschreiben könnte. Sie arbeitet mit Farbe aufLeinwand genauso wie
mit Video, sie inszeniert raumgreifende Installationen, in denen sie nicht zuletzt selbst als Akteurin auftritt. Was nach medialer Differenz aussieht, ist nur die Varianz eines Problems, das mehrere Gesichter hat. Und in dieser Komplexität des bisherigen Lebenswerks liegt der eigentliche Grund für die Zuerkennung des Preises an Elke Krystufek.