Zeichnung gegen Malerei?
Die Sprache notwendig zu haben, sie zu gebrauchen: Es könnte dies das Gemeinsame von Tagebuch und jener Serie von graphischen Blättern auf Transparentpapier sein, die Emi Rendl Denk als „Tageblätter“ bezeichnet. Wer Tagebuch schreibt, blickt zurück und fasst zusammen. Für das bereits Abgelaufene wird versucht, eine Struktur zu finden, die sichtbar macht und Vergangenes registriert. Franz Kafka notiert am 15. Oktober 1915: … Das Tagebuch ein wenig durchblättert. Eine Art Ahnung der Organisation eines solchen Lebens bekommen …
Wer Tagebuch schreibt, erzählt die Organisation von Geschichte, und genau hierin scheint mir eine Parallele zu den „Tageblättern“ zu bestehen. „Spielplanänderung“ etwa, ein Blatt mit sowohl bunten Kreiden als auch schwarzweißen Elementen gestaltet, wirkt als Sammelplatz eines Geschehens und reich an Informationen. In dieser oder jener Sprache ist es straff organisiert, was nicht heißen muss, dass diese Blicke zurück immer verständlich sein müssen. „17+4: Black Jack in der Bildmitte, es könnte sich also um Glückspiele handeln …
Ein anderes Blatt heißt ,,Ländlicher Umkreis“, auch hier einige Farbakzente gegen weite Bereiche in reiner Zeichnung, hervorgehoben sind ein Tier, ein Wagen, ein (durchbohrter?) Mensch beziehungsweise die Erinnerungen daran. Näher an die Tafelbilder führt uns das bunte Blatt „Teilungen“. Und hier lässt sich einmal mehr bestätigen, dass der Gegensatz zwischen gegenständlicher Zeichnung und abstrakter Malerei ein oberflächlicher ist. „Teilungen“ hat sich fast bis zur Knappheit der Bilder reduziert, wo überflüssig plaudernde Formen keinen Platz mehr finden und die Sprache der Tagebücher ganz in den Titel der Werke verbannt ist.
In den Tafelbildern nimmt dann die Organisation überhand, das Geschehen hat sich komprimiert. Es entstehen einfache Formen, bisweilen auch mystische, beschwörende Figuren wie „Eigenfigur“, in einer knappen, zwingenden Struktur, die wir einer fernen Welt zuordnen könnten, einer Zeit der Malerei, bevor es jemand gab, der sie so benannte, allein: Es sind ihre Titel, die uns wieder zurückrufen, dorthin, wo die Geschichte erzählt wird. Wir sehen fünf lange Tafeln, die in vertikaler Anordnung Kreise zeigen, in weißer Farbe und auf schwarzem Untergrund. Der Titel „Trommelschlagketten“ ruft sie uns in unsere Sprache zurück und lässt die unterschiedliche Dichte der Kreise in den Ohren vibrieren und tönen.
Ein anderes Werk, das ebenfalls mit der Vertikalen arbeitet, heißt ,,Vier ruhige Abgänger“, ruhig, weil sie weiß sind, aber auch hier schwarz unterlegt. Vier ovale Formen variiert. Eilande“ (Abbildung), eine Form ist noch ausgespart, aber mit den anderen in einer festen Struktur verkettet, Eilande sind Inseln, wenn sie wie hier zu Ovalen werden, verschiebt sich die Frage der Form in jene der Bedeutung.
Was notiert das Tagebuch? Insel oder Ovale? Bäume oder Wolken?