Bewusstseinskonflikte
Der Mensch, erduldend und erleidend, als ,,Spielball der Götter“, aber auch als Aggressor, als Verursacher und Initiator von Konflikten und Spannungen, hin- und hergerissen zwischen Ängsten und Nöten, als freudloses Geschöpf, steht sowohl als Thema wie auch als Motiv im Mittelpunkt des Schaffens des heute 45jährigen Graphikers Ernst Skrika.
Skrika bemüht sich dabei nicht zu verschönern, zu verharmlosen, schonungslos direkt, eindrucksvoll grausam ist seine Sprache. Dies Zann nur jemand, der sich selbst zu den Betroffenen zählt, der auf Härten und Schwierigkeiten des eigenen Lebens reflektiert, sich Gedanken dazu macht.
Fastkönnte man sogar meinen, dass es Skricka Vergnügen bereitet, die Nöte und Urängste der Menschen mit dieser Härte und Treffsicherheit zu schildern – für sich vielleicht als Möglichkeit der Verarbeitung eigener Konflikte. Der Betrachter kann sich dieser „Verarbeitungen“ nicht entziehen, er findet sich wieder, wird betroffen gemacht, seiner Verdrängungsmechanismen beraubt. Skrika trifft, er konfrontiert, zerstört die Fassade des Betrachters, zeigt ihm sein Inneres, bietet ihm jedoch keinen Ausweg, keine Möglichkeit zur Flucht.
Entscheidend für diese Wirkung ist Skrikas Formensprache, sie ist verständlich, ohne Zutat beschönigender oder verschleiernder nichtssagender Kürzel, dadurch aber umso eindrucksvoller und prägnanter. Hier findet man verzerrte, deformierte, zerrissene, in sich verstrickte Menschenleiber und ausgehöhlte Rümpfe, als Gegenüberstellung von „Schale“ und „Kern“, von Leib und Seele, als bildliche Trennung von Innen und Außen, aber auch eigentümliche organische Verformungen, Mutanten und Zwitterwesen, als ins Figürliche umgesetzte Verbindung verschiedener Gefühls- und Bewusstseins ebenen, als Kombination innerer und äußerer Zwänge. Durch dieses optische Verschmelzen der konträrsten Inhalte zu geistigen Mischwesen versucht Skrika greifbare, nicht jedoch abstrakte oder visionäre Seelenbilder zu gestalten. Besondere Bedeutung ist hierbei seinen imaginären Körpern, den menschlichen ,,Attrappen“ und Gliedmaßen Ornamenten zuzumessen, insbesondere aber den ,,Vertrauten Gesten“ der Hände.
Der menschliche Körper ,,als Maß aller Dinge“ dient Skrika nicht nur als Symbol für ungegenständliche geistige, in der Seele verborgene Dinge, etwa für Angst, Hass oder Leidenschaft, er wird auch zum Teil inhaltlich mit Dingen des täglichen Lebens gleichgesetzt, mit Maschinen, „Brunnen“, „Kraftwerken“ o. ä., also als Energiequelle und Lebensspender dargestellt. Hierin mag man einen seltsam positiv anmutenden Ideengang Skrikas entdecken, einen kleinen Hoffnungsschimmer in der Unendlichkeit seines Pessimismus. Unterstrichen werden die Bildinhalte noch durch erklärende, fast ,,plakative“ Titel, die keinen Zweifel offenlassen und selbst dem Verständnislosesten die Augen öffnen. Der Härte der Aussage stellt Skricka oft eine Weichheit der Darstellung entgegen. Diese äußert sich in großflächigen, durch starke Licht-Schatten-Kontraste sehr plastisch gestaltete schwere Formen. Nicht selten denkt man dabei an Bildhauerzeichnungen oder an gemalte Skulpturen. Neben dieser durchaus malerisch wirkenden Formensprache ist in Ernst Skrikas Oeuvre auch eine sehr expressive lineare, „graphische“ Richtung zu verfolgen, die sich nicht durch Weichheit, sondern vielmehr durch Schärfe und künstlerische Präzision auszeichnet.
Skrika erzielt diese unterschiedlichen Effekte vor allem durch vielfältige Experimente im Bereich der Druckgraphik. Die von ihm besonders bevorzugten Techniken sind dabei Radierung und Lithographie, die er durch raffinierte Kombination unterschiedlichster Bearbeitungsweisen seinen Ansprüchen gerecht zu machen versucht.
Sehr früh erregte er vor allem durch für Druckgraphiken außergewöhnlich große Bildformate Aufsehen; so erreichte er 1970, im Jahre seines Hochschulabschlusses an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, mit der von 32 Aluminiumplatten gedruckten Farbradierung „Dies irä“ die enorme Blattgröße von 385 x 165cm.
Zahlreiche Personalausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland, darunter auch einige gemeinsame mit seinem Künstlerkollegen, Atelierpartner und Freund Erich Steininger, wie auch zahlreiche Preisverleihungen sind in Erst Skrickas Werdegang seit dieser Zeit nachzutragen. Aus dem damals hoffnungsvollen Nachwuchskünstler Ernst Skricka entwickelte sich ein bis weit über die Grenzen bekannter Künstler, der seinem Rufals ungewöhnlicher Graphiker treu blieb; ständig ist er auf der Suche nach neuen technischen Möglichkeiten, nach neuen Interpretationsvarianten für die ihn bewegende Thematik, eine Thematik, die auch heute noch nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.