Eine Pionierin für den Kindervolkstanz in Niederösterreich
Kinder, die regelmäßig tanzen, haben eine bessere Körperhaltung, mehr Ausdauer und vielfach stärkere Muskeln. Darüber hinaus fördert das Tanzen auch die Koordination und den Gleichgewichtssinn.
Dies gilt auch für das Volkstanzen: Es trainiert musikalische und motorische Fähigkeiten der Kinder und schafft einen wunderbaren Ausgleich zur heute weit verbreiteten Bewegungsarmut. Außerdem hilft der Tanz in der Gruppe, soziale Fähigkeiten auszubilden und den Umgang miteinander zu lernen. Der Umgang mit anderen Kindern im Kreis wird im Volkstanz spielerisch trainiert. Wo befinde ich mich und wo sind die anderen? Wie harmonieren wir, damit ein Kreis entsteht? Reichen wir uns im Volkstanz die Hände zum gemeinsamen Seithüpfen, dann muss auf die Tanzpartnerin oder den Tanzpartner Rücksicht genommen werden. Entstehen Pausen in den Tänzen, so muss man lernen zu warten, bis man an der Reihe ist – eine der größten Herausforderungen, vor die man als Kind gestellt werden kann.Gefördert wird der Kindertanz unter anderem durch das österreichweite Schulprojekt „Mit allen Sinnen“, bei dem in den Volksschulen die unterschiedlichsten Ausdrucksformen der Volkskultur in unserem Land vermittelt werden.
Im Mittelpunkt stehen das gemeinsame Singen, Musizieren, Tanzen, Erzählen und Spielen. Ebenso bietet die Volkskultur Niederösterreich zahlreiche Angebote zur Vermittlung im Bereich Kindervolkstanz an, wie etwa eine Ausbildung für Tanzleiterinnen und Tanzleiter von Kinder- und Jugendvolkstanzgruppen.
In Niederösterreich gibt es aktuell rund 30 Kindervolkstanz- und Kinderschuhplattler-Gruppen, wobei das Interesse an Neugründungen in den letzten Jahren stetig stieg. Eine der traditionsreichsten Gruppen unseres Bundeslandes ist die Kindervolkstanzgruppe Melk.
Wenn vor der beeindruckenden Kulisse des Stiftes Melk eine Gruppe von Kindern, gewandet in der Wachauer Festtagstracht – die Mädchen mit der Goldhaube und die Burschen mit dem Tellerhut mit Steinfeder –, einen Tanz vorführt, dann leuchten nicht nur die Augen der bewundernden Menschenmenge, sondern auch die der Dame, die etwas seitlich von den jungen Tänzerinnen und Tänzern steht, konzentriert beobachtet und gelegentlich Anweisungen gibt. Sie ist ebenso wie ihre Schülerinnen und Schüler in die Wachauer Tracht gekleidet und strahlt beim Anblick der Darbietung große Freude aus. Es ist die Leiterin der Gruppe, es ist: Eva Kiss.
Eva Kiss ist eine absolute Vorreiterin im Bereich des Kindervolkstanzes in Niederösterreich. Sie hat im Jahr 1973 die Kindervolkstanzgruppe Melk gegründet und seit dieser Zeit in nun mehr als 50 Jahren mit vollem Engagement Hunderten von Kindern das Volkstanzen beigebracht. Dabei geht es ihr aber nicht nur um die Vermittlung von heimischen Tänzen, sondern auch um die Beschäftigung mit anderen Kulturkreisen und deren Tänzen. Außerdem fördert sie das gemeinsame Singen mit Kindern. Sie wirkt mit ihrer Gruppe regelmäßig bei offiziellen Anlässen der Stadt Melk und des Stiftes mit und bereitet dabei mit den Darbietungen sowohl nationalen als auch internationalen Gästen große Freude. Auch bei kirchlichen Feiertagen und Hochfesten ist sie wichtiger Bestandteil. Darüber hinaus nimmt sie mit den Kindern regelmäßig landesweit an verschiedenen Veranstaltungen teil, wie etwa am Volkstanzfest Baden oder am Treffpunkt Volkstanz der Volkskultur Niederösterreich. Dadurch haben die Kinder die Möglichkeit, sich mit gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Aktuell zählt die Kindervolkstanzgruppe Melk 20 Kinder. Sie sind in zwei Gruppen – eine mit kleineren Kindern und eine mit Jugendlichen – aufgeteilt.
Eva Kiss ist aber nicht nur die Gründerin und Leiterin der Kindervolkstanzgruppe Melk, sie tanzt auch selbst in der Volkstanzgruppe der Erwachsenen mit und singt im Melker Singverein. Im Jahr 2022 hat sie auch die Leitung der Erwachsenenvolkstanzgruppe Melk übernommen.
Eva Kiss hat gemeinsam mit ihrer Schwester Wilfriede Emberger aus Krems-Stein den Kindervolkstanz in der Wachau und in Niederösterreich in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Und daher ist der von der Jury zugesprochene Würdigungspreis in der Kategorie „Volkskultur und Kulturinitiativen“ im höchsten Ausmaß verdient.
Harald Froschauer