Franz Bayer

Bildende Kunst

,,Im Halbdunkel der Leidenschaften wächst Ungesagtes zur Schau“

Die Legende, oftmals reproduziert, berichtet von einer Entdeckung. Wien, Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, 1953. Der Entdecker: Ernst Fuchs, Jahrgang 1930. Der Entdeckte: Franz Bayer, Jahrgang 1932. Vier Jahre später verwendet ein Kunstkritiker erstmals den Begriff ,,Malerei des phantastischen Realismus“. Aus jener Zeit gibt es Zeichnungen des gelernten Steinmetzes Franz Bayer, die einen merkwürdigen Widerspruch von expressiver Dynamik und erzählerischem Detailreichtum zeigen. Ein scheinbarer Widerspruch, ähnlich scheinbar wie jener zwischen den, auch schon damals entstandenen, kleinstformatigen Landschaftsradierungen von verblüffender Akribie, und den phantasmagorischen Visionen, die der Künstler in ebenso präzisen Grafiken, seit den siebziger Jahren auch in Öl, formuliert. Beide Wege sind jedoch Ausdruck eines Hyperrealismus. Der eine hätte auch zum Fotorealismus amerikanischer Prägung und zum Fotografismus führen können, der andere zur spekulativen Fantastik. Franz Bayer jedoch gehört zu jenen Stillen, die ihren Weg obzwar mit Besessenheit, so doch, ohne mit einem vordergründigen Ziel zu kokettieren, gehen. Zu seiner ersten Ausstellung verhalf ihm Ernst Fuchs 1966 in der Galerie Fuchs-Fischhof. Erst zehn Jahre später gelang ihm in Basel der Durchbruch. Traumwelt des Ungesagten hier, höchste Präzision in der Wiedergabe des optisch faßbaren Gegenständlichen dort aber gerade die nur auf den oberflächlichen Blick hin naturalistischen Landschaftsminiaturen sind der eigentlich phantastische Teil von Bayers Werk. September 1980, von Szeged kommend, entlang der Tisa/Theiß in die südöstliche Ausbuchtung der ungarischen Tiefebene vordringend, ab Zrenjanin mit der untergehenden Sonne im Rücken, immer tiefer der Horizont aus wogenden Feldern, in den die immer gerader werdende Straße hineinführt. Vor allen anderen geschichtlichen Phänomenen zeichnet Kunst sich nicht zuletzt durch den zufälligen“ persönlichen Zugang aus, der in bloßem Gefallen gleichwohl wie in tieferem Verständnis dessen, was der Künstler aus seiner konkreten Erfahrung ins Allgemeine sublimiert hat, resultieren kann. Betroffenheit kann vielerlei Ursachen haben. September 1980 also, zu früh noch für den Zug der Wildgänse und der Kraniche, an der Grenze von Batschka und Banat. In Mileticevo/Milletitsch, hart am Rumänischen, ist Franz Bayer zur Welt gekommen. Aus den fünfziger Jahren gibt es Zeichnungen, deren Horizont aus Ähren nahe dem oberen Blattrand verläuft; kreisende Sonnen zwischen Erzählungen vom Landleben, irgendwie an den frühen, russischen Chagall gemahnend. Eine Tuschzeichnung von 1954 trägt den Titel ,, Flucht“; Flucht im Herbst 1944, am Himmel die Zeichen des Vogelzugs. Aber als ,,Berichterstatter des mythischen Untergrundes“ (Ernst Fuchs) kehrte Franz Bayer zurück, um unter seinem nur scheinbar kühlen Blick die Dinge in die Welt der Phantasie zu setzen: ,, … es bietet sich uns die Welt zur Entlarvung an, sie kann nicht anders, verzückt windet sie sich vor ihrem Betrachter“ (Aus der Einladung zur ersten Ausstellung, 1966). In seinen jüngsten Werken ist Franz Bayer die Synthese von hyperrealistischer Landschaftszeichnung und surrealer Bilderwelt gelungen, die Gefahr manieristischer Erstarrung in einer verspielten Welt phantastischer Formen scheint gebannt; der im persönlichen Umgang allzu bescheidene und zurückhaltende Künstler hat sich von keinen ökonomisch verlockenden Moden blenden lassen, und es mag dem Land Niederösterreich durchaus zur Ehre gereichen, diesen konsequenten Weg eines Gesamtwerkes mit dem Würdigungspreis bestätigt zu haben.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1986