Text, Bild, Emblem, Ornament und Geometrie
Franz Graf, 1954 in Tulln geboren, zählt zu den wichtigsten Vertretern einer neokonzeptuellen Haltung, die der Künstler mit Heimo Zobernig, Gerwald Rockenschaub, Erwin Wurm, Eva Schlegel, Brigitte Kowanz und anderen teilt. Diese primär auf Kontext, Minimalismus und Sprache aufgebauten Positionen stehen diametral zu den sinnlichen Farbräuschen der „NeuenWilden“, die ihr Werk nicht in einen medial erweiternden Zusammenhang gestellt, sondern einfach frische, heftige Malerei betrieben haben. Franz Grafs primäres Konzept basiert aufeiner Verkettung und Überschneidung unterschiedlicher oft entgegengesetzter Medien, die zu einer neuen offenen Struktur im Werk führen. In einer Arbeit führt zum Beispiel der Künstler Bild und Text zusammen, indem er eine monochrome Bildtafel gestaltet, deren Mitte mit Worten in spiralförmiger Anordnung beschrieben wird. Das Zentrum der Wortspirale ist mit einer abgenommenen Platte ausgespart, wodurch ein weißes Bildfenster entsteht. Eine komplexe vielschichtige Verzahnungvon Text und Bild wird in Gang gesetzt: Die abstrakte Monochromie basiert aufder bildsprachlichen Ebene. Die Wortspirale wird dagegen der wortsprachlichen Gattung zugeordnet. Ihre inhaltliche textuelle Bedeutung mutiert aber gleichzeitig aufgrund ihrer formalen radialen Erscheinung ins Bildliche. Wenn nun einmal das Wort in das Medium des an der Wand hängenden Bildes umgewandelt ist, kann dieses auch in skulpturaler Gestalt präsentiert werden. Text-Bilder, meist mit Graphitstift auf Transparentpapier gezeichnet, verspannt Graf mit einem Gerüst. Das Wort wird im Raumobjekthaft installiert. Hier gelten die Regeln, die die Vertreter der Minimal Art manifestiert haben. Malerei und Tafelbild werden mit dem Objekt überwunden. Der vortäuschende Bildraum ist zugunsten einer Verankerung des Kunstwerks im Realraum aufgegeben. Der Gestus, Versinnbildlichung des Individuellen Expressiven und des Schöpferischen wird von einer anonymeren konstruktiveren Bildkonzeption abgelöst. Auch wenn Grafs geschriebene Texte in ihrer Bedeutung und in ihrem Inhalt Offenheit zeigen, beziehen sie sich dennoch aufdas Narrative. Sobald Worte gelesen oder ausgesprochen werden, entsteht im Kopf eine optisch bildliche Relation. Diese löst zum Beispiel der Künstler mit photographischen Schnappschüssen ein: Frauenportraits, Landschaftsausschnitte, Pflanzen oder autobiographische Themen. Ihre erzählerische und abbildende Qualität wird manchmal durch Überzeichnungen untergraben. Personen werden verdeckt, verschattet, das Bild verliert an Realitätsgehalt und wird in die abstrakte Welt eingeführt. Monochromie und Flächigkeit der Überzeichnung stehen der Tiefenillusion und der nuancierten Tonschattierung der Photographie entgegen. So wie der Künstler die Eindeutigkeit des Wortes in Frage stellt und an ihr rüttelt, wird nun das Faktische der gesehenen Welt via Kamera aufgelöst, indem GrafKontrapunkte wie Abstraktion und Fläche in die Photographie einfließen lässt und dadurch eine offene Bildstruktur erzielt, die sich den strengen Grenzen von Bild und Text, real und gegenstandslos, widersetzt.Die am häufigsten in Erscheinung tretenden Motive sind radial gezeichnete Formen, die zum einen Stilmerkmale des abstrakt Geometrischen zeigen, zum anderen an Ornamente oder an stilisierte Gegenstände erinnern: Tortenuntersatzpapiermuster, Blumenformen, Sägeblätter, Ahornblätter oder Fächerartiges im figuralen Scherenschnittmuster, all das wird mit dem Bleistift auf die transparente Bildfläche gesetzt. Auch in diesen Werken wird eine Verknüpfung von einander dezidiert abgrenzenden Formalismen angestrebt. Das Muster im Kontext mit bildender Kunst und Architektur hat in der Avantgardegeschichte seine Existenz verloren. Die modernistischen Dogmen Selbstreferentialität, Analyse des Mediums, Funktionalität, Purismus und Abstraktion haben dem Ornament seine Bedeutung entzogen. Das Dekor hat den Träger verloren und ist nutzloses Formenarsenal geworden. DerWiener Gestaltpsychologe Ernest Gombrich unterstrich aber in seinem Buch ,,Kunst und Ornament“ die Bedeutung der von Architektur und Bild abgekoppelten ,,reinen Form“ des Ornaments, die nun in die abstrakte geometrische Malerei eingebunden werden konnte. Walter Benjamin hat das Medium Zeichnung als Sitz des Symbolischen, Zeichenhaften und Emblematischen definiert, während die Malerei mehr der optisch wahrgenommenen Dingwelt entspricht. Die Zeichnung ist kodiert, verschlüsselt, verweist indirekt auf einen Bezugspunkt, die Malerei, aber auch die Photographie ist mimetisch und abbildend. Franz Graf verkettet in seinen Werken die gegensätzliche Natur von Abbild und Zeichen, indem er emblematische und zeichenhafte Strukturen mit photographischen Abbildern kombiniert.