Die Weite des Blicks
Überblickt man das immense Werk des 1914 in Ebreichsdorf in Niederösterreich geborenen Bildjournalisten Franz Hubmann, so ist es sowohl hinsichtlich seines Umfanges als auch hinsichtlich seiner Vielfalt und Prägnanz als einmalig in der österreichischen Nachkriegsgeschichte zu bezeichnen.
Der Weg zur Photographie ist bei ihm ebenso vielfältig wie seine Arbeiten. Erst nach dem Krieg besuchte der aus der Modebranche kommende gelernte Textiltechniker 1946-1949 die „Graphische“ in Wien, wo er grundlegend das photographische Handwerk erlernte und sein Können zu entwickeln begann. Unmittelbar nach Abschluss der „Graphischen“ wurde er Bildstellenleiter der österreichischen Fremdenverkehrswerbung, eine Aufgabe, die er bis 1955 innehatte.
Die wohl wichtigste photographische Zäsur stellt das Jahr 1953 dar, als Hubmann Mitbegründer der Kulturzeitschrift „magnum“ wurde und deren Chefreporter er auch in den letzten Erscheinungsjahren bis zur Einstellung dieser einzigartigen Photozeitschrift in Österreich 1965 war. Vorbild dieser photographischen Kulturzeitschrift war die 1947 von Robert Capa, Henri Cartier-Bresson und David Seymour in New York gegründete internationale Bildagentur ,,Magnum“ (die in Paris ihre wichtigste europäische Niederlassung hatte). Diese genossenschaftlich organisierte Bildagentur war gleichsam das Synonym für das Credo des modernen Photographen, dessen Selbstverständnis als freischaffender, unabhängiger Photograph die Geschichte des Photojournalismus nach 1945 nachhaltig prägte und formte.
Der Untertitel der österreichischen Kulturzeitschrift lautete bezeichnenderweise „Zeitschrift für das moderne Leben“. Was vor allem Franz Hubmann (gemeinsam mit Karl Pawek) gelang, war nicht weniger als im Österreich der Nachkriegszeit nicht nur den Anschluss an die amerikanische „Life“-Photographie zu finden, sondern eine eigene prägnante Bildsprache zu entwickeln, die auch international zu reüssieren vermochte. Modernes Leben erforderte moderne Photographie, um es verkürzend zu formulieren. Mit „magnum“ gewann das photographische Bild in seiner publizistischen Praxis einen autonomen, ja sogar souveränen Status als eigenständiges Medium der Mitteilung. Das definitiv Neue dabei war, dass es nicht mehr bloßen illustrativen Charakter hat, sondern zu einer eigenen übergeordneten und selbständigen Bildaussage wurde. Was für uns heute eine Selbstverständlichkeit ist, war Mitte der fünfziger Jahre eine außerordentliche Bildleistung in Österreich.
Mit „magnum“ gewann die Photographie in Österreich (und teilweise auch in Deutschland) nicht nur internationalen Status ( der keinesfalls als Imitation amerikanischer Bildtradition gesehen werden kann), sondern eine eigene Identität dokumentarischer und photojournalistischer Provenienz. Gerade das photographische Werk von Franz Hubmann zeigt dies deutlich. Im Gegensatz zur damaligen internationalen Praxis thematischer Spezialisierungen musste er das gesamte Spektrum „moderner“ Themen photographisch abzudecken lernen. Tanz, Musik, Architektur, Kunst, Design, Kinder, Freizeit, also jene schon damals kulturell hochaktuellen Lebensformen wurden engagiert bildjournalistisch umgesetzt. Der damals gängige Begriff der „neuen Optik“ bzw. des „neuen Stils“ wurde signifikant für das Schaffen von Hubmann, der auch vor dem nicht zurückscheute, was wir heute als Randthemen bezeichnen würden und in den sechziger und siebziger Jahren unter dem Terminus ,,Ästhetik des Häßlichen“ Furore machte. Den Beginn dafür setzte er mit Live-Aufnahmen von Menschen auf dem Brunnenmarkt im Wiener Vorstadtbezirk Ottakring im Stile der Zeitschrift „Life“. Auch hier gilt: Was uns heute selbstverständlich ist, war damals eine veritable photographische Revolution in Österreich, die unabdingbar mit dem Namen Hubmann verknüpft ist.
Nicht zuletzt das neue Selbstverständnis als Photograph und die ersten großen Erfolge in den frühen sechziger Jahren (allen voran die Arbeit „Hawelka-Saga“ von 1960 oder „Wien – Vorstadt Europas“ von 1963) ließen Hubmann 1964 zum Entschluss kommen, freischaffender Photograph zu werden und seine photopublizistische Tätigkeit entsprechend auszuweiten und zu intensivieren. In der Folge entstanden bis heute fast fünfzig Photobücher von außerordentlicher Faszination und Prägnanz, deren vorläufiger Abschluss das 1997 erschienen Buch „Wo die Träume wohnen. Das Waldviertel“ bildet (und mit dem er erneut seine niederösterreichische Verbundenheit, insbesondere mit dem Waldviertel, wo er seit vielen Jahren gemeinsam mit seiner Frau den Sommer verbringt, dokumentiert).
Resümiert man das photographische Werk von Franz Hubmann, so ist es getragen von einer Weite des Blicks, die wesentlich durch eine romantische, manchmal fast nostalgische Haltung geprägt ist. Signifikant ist dabei auch das subtile Einfühlen und Erspüren dessen, was wir auch als visuelle Lebensenergie bezeichnen könnten. Für den Bildjournalisten Hubmann ist die Photographie niemals nur eine pure visuelle Dokumentation, niemals nur Abbildung, sondern immer gestaltendes Herausbilden. Dabei gab und gibt es für ihn immer eine klare Bestimmung des Photographischen, wenn er dezidiert sagt: ,,Ich bin Bildjournalist und nicht Photograph!“. Bildjournalistisches Arbeiten ist damit das Finden des Befindens von Wirklichkeit und Welt. Franz Hubmann hat dazu einen einzigartigen Beitrag der letzten fünfzig Jahre österreichischer Bild- und Kulturgeschichte geleistet. Nicht zuletzt die vielen Publikationen, Ausstellungen und öffentlichen Anerkennungen, wie etwa die Verleihung des Großen Österreichischen Staatspreises für künstlerische Photographie 1994 und die diesjährige Verleihung des Kulturpreises für künstlerische Photographie des Landes Niederösterreich bezeugen ein bemerkenswertes bildnerisches Lebenswerk.