Franz Koglmann

Musik

Keine Ahnen am Mississippi

Der wichtigste Beitrag, den du für die Tradition leisten kannst, ist, deine eigene Musik machen eine neue Musik.“ Auch wenn dieses Zitat vom neoklassizistischen Pianisten Anthony Davis stammt, ist es doch auf Franz Koglmann direkt übertragbar. Jeder stilistischen Einengung abgeneigt und weit entfernt von einer Anbiederung an die sogenannte „Jazz-Szene“, geht der klassisch gelernte Trompeter und Flügelhornist aus Wien-Liesing von Anfang an seine eigenen Wege. Und das bedeutet zunächst einmal die Schaffung eines Aktionsrahmens für seine Intentionen: Er gründet ein Jazz-Label (,,PIPE“) und später das „Pipetet“ ein in der Besetzung variables Ensemble, für das er sich mehrheitlich klassisch ausgebildete Musiker holt, die seine minuziös ausgearbeiteten Werke mit ihm erarbeiten.
„Schoenberg sagt mir mehr als John Cage“ -dass Koglmann aus dem Ergebnis der Zweiten Wiener Schule schöpft und sie mit Cool-Charakteristika, Avantgardeelementen und ausgetüftelten Instrumentierungen verknüpft, weist ihn nicht nur als Grenzgänger und Vertreter des ,,Third Stream“ aus, sondern bringt auch seine ganz bewusste europäische Komponente ins Spiel.
Während sich die Mehrzahl der kontinentalen Jazzmusiker stets nach den schwarzen Wurzeln des Jazz orientiert und versucht, durch Studium, oft auch durch bloßes Plagiieren einem vermeintlichen Original näher zu kommen, steht Koglmann zu seiner Provenienz: „Meine Vorfahren waren keine Baumwollpflücker am Mississippi es wäre unehrlich, fingerschnalzend meinen Groove zur Schau zu stellen.“ Solche Äußerungen zeugen vom bewußten Provokateur Koglmann – und sie haben ihm auch schon reichlich Kritik eingebracht. Unberechtigt. Denn wer ihn des Rassismus bezichtigt, der übersieht, daß die Loslösung des europäischen Jazz von den alten Vorbildern unbedingt notwendig ist – Europa würde sonst ewig die Jazz-Provinz Amerikas bleiben. Doch Kritik stört den mittlerweile 45jährigen ohnehin wenig. Zumal die internationalen Erfolge den individuellen, manchmal fast eigenbrötlerischen Weg des Künstlers bestätigen: 1972 und 1976: Förderungspreis der Stadt Wien, 1987 Förderungspreis der Republik Österreich, 1989 Staatsstipendium für Komposition. Zahlreiche Radio- und Fernsehproduktionen in ganz Europa. Zehn Schallplatten unter eigenem Namen, von denen einige auf hervorragende internationale Kritiken, eine Reihe von Auszeichnungen verweisen können. Bei den Donaueschinger Musiktagen 1990 hatte die Premiere seines Programms ,,The Use of Memory“ durchschlagenden Erfolg, die CD wurde von der ,,London Times“ zur Platte des Jahres 91 gekürt. Erfolge, die jedem Künstlerego guttun, die aber für Franz Koglmann nicht wirklich wichtig sind. Kompromisslos arbeitet er an seiner, der eigenen Musik. Musikjournalisten werden weiterhin versuchen, ihn einzuordnen, zu klassifizieren, zu kritisieren.
Ihn kümmert das nicht viel auch sein Publikum lässt er im Stich, indem er bewusst keine Hilfestellungen zu seiner Musik gibt. Doch das muss nicht Ignoranz, sondern kann auch Kompliment sein. Wie Adorno sich zu Schönbergs Musik geäußert hat, so sei dieses Wort auf Franz Koglmann abgewandelt: „Koglmanns Musik tut dem Hörer Ehre an, indem sie ihm nichts zugesteht.“

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1992