Franz&sue zt Gmbh

Architektur
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Räume, die Beziehungen erweitern

Franz und Sue. Zwei erfolgreiche Büros beschlossen 2017, sich zu vereinigen, um die steigenden Herausforderungen in der Architektur noch besser meistern zu können. Doch damit nicht genug: Sie entschieden sich auch gleich, ein Gebäude für sich zu errichten, in dem auch andere Büros Platz finden können. Architektur als Prozess zu begreifen, der sich an gesellschaftlichen und politischen Prämissen reibt, ist ein Anspruch, den Franz und Sue kompromisslos verfolgen.

Architektonische Aufgaben und Anforderungen sind zu komplex geworden, um sie allein in der stillen Kammer lösen zu können. Es braucht Auseinandersetzungen mit Planungspartnerinnen und Planungspartnern, speziellen Fachplanerinnen und Fachplanern, aber auch mit Expertinnen und Experten aus anderen vermeintlich fremden Bereichen. Dafür haben Franz und Sue mit ihrem Stadtelefanten einen Rahmen geschaffen, in dem sich alle Beteiligten in intensiven Debatten oder lockeren Runden austauschen können.

Der Fight Club bietet die Möglichkeit für jede Frau und jeden Mann, die oder der interessiert ist, ihre beziehungsweise seine Architekturprojekte zur Diskussion zu stellen. Der Fight Club dient nicht dazu, mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln die Frau oder den Mann zu ermitteln, die beziehungsweise der stärker ist, sondern vermeintliche Schwächen zu befruchten, Unsicherheiten und Zweifel zu beleuchten und neue Gedanken und Ideen in den eigenen Entwicklungsprozess einfließen zu lassen.

Nicht ich-bezogene Architekturmuster werden den Nutzerinnen und Nutzern übergestülpt, sondern es wird in einem diskursiven Prozess versucht, die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner zu treffen und Räume so zu gestalten, dass sie Entwicklungsmöglichkeiten fördern. Da zeigen Franz und Sue Haltung. Da wird mitunter auch auf wirtschaftlichen Erfolg zugunsten gelebter Solidarität verzichtet. Bei einem Wettbewerb, der die wirtschaftlichen Interessen von Investorinnen und Investoren über die der Architektur und ihrer Nutzerinnen und Nutzer stellt, wurden kurzerhand auch andere Büros überzeugt, dagegen Position zu beziehen. Über 50 Büros gaben statt Plänen Plakate mit Protest-Slogans ab.

Gemeinsam stärker gegen solitäre Interessen hat auch zur Gründung der Interessengemeinschaft Architektur geführt, einer Plattform, bei der sich jede Frau und jeder Mann beteiligen und in Diskussion treten kann, wenn zum Beispiel Wettbewerbsausschreibungen ungenau oder fragwürdig sind, neue Baugesetze und Verordnungen unklar bleiben oder einfach Rat und Tipps benötigt werden.

Franz und Sue sind nicht nur offen für Diskurse, sondern auch neugierig und offen für komplexere soziale Anforderungen in der Architektur, wie zum Beispiel ein Schubhaftzentrum oder Jugendwohnheime. Auch hier werden soziale Strukturen genau untersucht und der direkte Dialog zu den Nutzerinnen und Nutzern gesucht. Die Bedürfnisse der Menschen, die das Gebäude später benutzen, stehen im Zentrum, auch wenn sie oft oder sogar meist nicht die Auftraggeberinnen und Auftraggeber sind. Projekte werden über Wettbewerbe lukriert. Je vielfältiger die Aufgaben, desto spannender – das scheint der Motor zu sein.

Allein die Projekte in Niederösterreich zeigen eine große Varianz: beginnend bei Schulen und Kindergärten, Universitäten, Wohnbauten, Alters- und Seniorenheimen, betreutem Wohnen oder Jugendwohnheimen sowie kommunalen Gebäuden wie Musikvereinen oder Veranstaltungszentren. Die Architektur entwickelt sich stark aus der Aufgabe. Das ist auch in den zahlreichen nationalen und internationalen Projekten gut zu erkennen. Es gibt keinen Franz-und-Sue-Architekturstil, der auf alle möglichen Nutzungen aufgepfropft wird, sondern eine architektonische Haltung, die in die Gestaltung des Gebäudes einverwoben wird.

Beispielsweise bei einer Schulerweiterung in Eichgraben, wo nicht nur eine Schule, sondern ein „kommunaler Ort“ entwickelt wurde, mit Plätzen und Vorbereichen, die in den öffentlichen Raum reichen und von allen Menschen genutzt werden können. Oder beim Musikvereinssaal in Zwettl, der als goldener Klangkörper mitten am Hauptplatz steht und jeden Moment mit der stolzen Blasmusikapelle abzuheben scheint.

Wertschätzung gegenüber Menschen und Orten steht im Mittelpunkt der architektonischen Idee von Franz und Sue. Besonders spürbar ist dies im Landesjugendwohnheim Hollabrunn, wo für Jugendliche aus schwierigen familiären Verhältnissen eine Umgebung geschaffen wurde, die den jungen Menschen durch Räume mit einer „persönlichen und beziehungsfördernden Atmosphäre“ das Gefühl gibt, hier willkommen zu sein.

Die Qualität der Architektur von Franz und Sue liegt in sozialen und räumlichen Aspekten – keine Selbstverständlichkeit in einer Bauwelt, die von Profit und Zeitdruck durchdrungen ist. Dieses Architekturbüro mit seinem großen Team und ausgeprägten Netzwerk steht für eine zutiefst zeitgemäße und zukunftsfähige Architektur, die in Niederösterreich und auch international viele Spuren hinterlassen hat.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2020