Gerhard Jaschke

Literatur
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Sprachkunst

In Wien geboren, hat Gerhard Jaschke ein besonderes Naheverhältnis zu Niederösterreich: zum einen zur herb-schönen Gegend des Waldviertels rund um Allentsteig, wo er mütterlicherseits verwurzelt ist, zum anderen zum sonnenblumenträchtigen, weinbaufruchtigen Retzer Land, wo er gemeinsam mit Ingrid Wald seit 2002 die Unterretzbacher Sommergalerie betreibt. Gerhard Jaschke, neben sehr vielen anderen künstlerischen Äußerungen berühmt für seine prägnanten Sprüche, die sich auf literarischen T-Shirts genauso finden wie auf Postkarten, macht aus seiner Sehnsucht, sich in die nicht urbanen Rückzugsorte von Wein- und Waldviertel zu begeben, keinen Hehl, wenn er zum Beispiel via literarische Ansichtskarte verlauten lässt: «Nirgendwo erreichbar zu sein ist doch sicher auch für Sie der Himmel auf Erden.» Diesem Grundbedürfnis des Dichters nach abgeschiedener Befindlichkeit und Muße für die Arbeit kann aber nicht immer nachgegeben werden, denn Jaschke, dessen Œuvre nicht nur beeindruckend umfangreich, sondern auch vielschichtig ist, hat in seinem Kunstprogramm selbstverständlich auch den permanent kritischen Blick auf die Welt, der es sich zu stellen, in der es sich zu positionieren gilt, parat. Das liest sich als Satz beispielsweise in der genial lapidaren Feststellung: «Mein Angstgegner heißt Blödheit.» zu den Stationen des Literaten zählt die Absolvierung diverser Universitätsstudien genauso wie seine Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Akademie der bildenden Künste, Poetikvorlesungen an der Universität Innsbruck, die Geschäftsführung der Grazer Autorenversammlung (gemeinsam mit Christine Huber), seine organisatorische Tätigkeit in den Bereichen konkrete Poesie, Fluxus und Neo-Dada, die legendäre jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Freund, Dichter, Verleger und bildenden Künstler Werner Herbst – und das ist nur ein kursorischer Überblick, ein ungefähres Anreißen der Leistungen dieses herausragenden Künstlers, der auch immer wieder als Zeichner in Erscheinung tritt. Als unverzichtbarer Meilenstein der österreichischen Gegenwartsliteratur und als Signal in Richtung Verschränkung der Kunstgattungen muss die 1975 gemeinsam mit Hermann Schürrer gegründete Zeitschrift für Literatur und Kunst «Freibord» ins Rampenlicht gestellt werden. 1977 geht aus diesem Impuls die Buchreihe «Edition Freibord» hervor. Unermüdlich bietet Gerhard Jaschke als Herausgeber höchst arrivierten Autor(inn)en und Künstler(inne)n genauso wie noch unbekannten Talenten eine Plattform zur Veröffentlichung. Der «Weltbudist» (2009 erschien zum 60. Geburtstag des Autors im Verlag Sonderzahl der Titel «Weltbude») ist nicht nur ein Titan der Literatur, er steht auch als Vermittler zwischen den Künsten, verbindet traditionellen Text mit Avantgarde, ist ein Meister von Anagramm und Lipogramm, bedient sich der Dichtung mit methodischer Beschränkung, schreibt in den Bereichen Gedicht, Erzählung, Essay, Roman, Theaterstück, Hörspiel. Im Vorwort zum 2007 in der «Literaturedition Niederösterreich» erschienenen Band «Anfänge – Zustände», der eine wunderschöne Zusammenschau des Jaschke’schen Kunstuniversums bietet, schreibt Julian Schutting: «Einen poeta doctus würd ich ihn nennen. (…) In der Theorie der Ästhetik kennt er sich gut aus und ist dort zuhaus, wo die von der Mode streng geteilten Künste in Überschneidungen und Überlappungen zusammenfinden dürfen; aber er schaut auch dem Volk aufs Maul, öffnet sich willfährig den Banalitäten, die ihm von Plakaten, aus dem Lokalteil der Zeitungen denn doch nicht ‹ins Auge stechen›, ihn aber kitzeln, ihrer Verwertbarkeit sich voll bewusst. (…) Seine Sprache hat keine dichterischen Fettgewebe angesetzt, laboriert nicht an Bindegewebsschwäche – wo es wünschenswert ist, darf es anschaulich werden, etwas Lokalkolorit, meist aber wird auf einer abstrakten Ebene verfahren, auf der der Sprache.»

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2010