Der Blick fürs Feine
Das Haus Neustiftgasse 6 liegt außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer von Baden am sogenannten Baumgarten am südlichen Ufer des Mühlbachs. Anfang des 15. Jahrhunderts erstmals urkundlich erwähnt, wird es 1527 als «Schwitzbad» bezeichnet und bleibt bis 1768 «Badestube». Beim großen Stadtbrand (1812) schwer beschädigt, wird es in der Folge vom Gasthaus bis zur Schmiede verschieden benutzt. Zuletzt waren vierzehn Sozialwohnungen mit zwei Toiletten untergebracht. 1980 wird das desolate Haus geräumt und zum Spekulationsobjekt. Wie so oft wird zur Verhinderung des Abbruchs das Bundesdenkmalamt zu Hilfe gerufen.
Gerhard Lindner kauft das zwischenzeitlich denkmalgeschützte Objekt aus der Konkursmasse mit dem Ziel, den «Schandfleck der Stadt» vorbildlich zu revitalisieren. Bauforschung und restauratorische Befundung brachten bedeutende Baudetails und Wandmalereien aus dem 16. und 18. Jahrhundert zu Tage. Für den an der Denkmalpflege interessierten Architekten bildete dieses Haus eine Herausforderung, zudem es das Wohnhaus für seine Familie werden sollte. Seine Erfahrungen mit der Revitalisierung denkmalgeschützter Bauten wie der Umbau des Vereinshauses in Horn, des Museums der Stadt Horn, die Revitalisierung des Palais Niederösterreich in Wien, die Errichtung des Pilgersaales bei der Wallfahrtskirche Kleinmariazell führten zu einer qualitätssteigernden Prägung für das Denkmal. Die bei Anton Schweighofer und Hermann Czech gewonnenen Erfahrungen, der Blick fürs Feine kommen zum Tragen, ohne den Sinn für das große Ganze zu verlieren. Mit der Revitalisierung dieses Hauses wurde ein neuer Akzent mit Vorbildwirkung gesetzt. Ein offenbar alltägliches Haus wird zum ganz persönlichen Lebensrahmen, in den neue Werte eingebracht werden. Plakativer Formalismus ist kein Thema, Neues setzt sich ab, ohne das Alte zu überlagern – ein Weiterbauen unter Respektierung der historischen Vorgaben und der Primärstrukturen war möglich.
Durch dieses Zusammenspiel konsequenter Vorgaben, auch unter Berücksichtigung neuester energetischer Erfordernisse, entsteht ein Haus mit einer sehr persönlichen Atmosphäre, eine harmonische Gesamtkomposition, die die Maßstäblichkeit bewahrt und für jeden Betrachter intuitiv positiv erlebbar wird.