Gertraud Klemm

Literatur
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«Herzmilch»

Bereits mit den Statements im Exposé zu ihrem Roman «Herzmilch» lässt die niederösterreichische Autorin, u. a. mit dem Hans-Weigel-Literaturstipendium ausgezeichnet, aufhorchen. Leidenschaftlich skizziert sie mit kräftigem Strich und Verve das Anliegen ihres neuen Titels: «… ein Appell gegen die postfeministische Bequemlichkeit und politische Taubheit jener Generationen, die nicht einmal merken, dass sie gerade einen wichtigen Krieg verlieren.»
Gertraud Klemm zeichnet die Entwicklungsgeschichte einer jungen Frau, die in den österreichischen 1970ern und 1980ern aufwächst – und die sich deutlich von der Saturiertheit der Generation «haben wollen» abhebt. Es ist ein mühevolles Aufwachsen, ein permanentes Fragen, ein dauerndes Abklopfen vorgefertigter (Rollen)muster, ein weitgehend einsamer Kampf um die eigene Positionierung in der Welt, um das Definieren einer weiblichen Existenz, die sich nicht auf «das Normale» beziehen und beschränken möchte. Als die Protagonistin ungewollt schwanger wird, zerbricht die Alleinerzieherin beinahe an der Enge und Unausweichlichkeit ihrer Situation. «Doch anstatt in ein bürgerliches Leben einzukehren, nimmt sie alle in die Pflicht: den Vater, das Kind und die Gesellschaft. Die grausame Furie entwickelt sich zu einer politischen Option, die man im gegenwärtigen Österreich vermisst.» G. K., Exposé
«Eine Meinung zu haben … und sich danach der Reaktion auszusetzen, vor allem jener der Betroffenen, kann sehr anstrengend sein», schreibt die Autorin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kolumnistin für die NÖN. Dieser Satz kann wohl auch programmatisch für ihren Zugang zum literarischen Arbeiten genommen werden – wer sich einsetzt, setzt sich aus.
Und wenn eine sich auf das dünne Eis des Hinterfragens ohnehin emotional aufgeladener Themen wie Familie, Geschlechterkontext und (Post)feminismus begibt, braucht es nicht nur die handwerkliche Fähigkeit beim Literarisieren, es braucht auch Einsatz und Souveränität.
Gertraud Klemm verfügt über sämtliche Voraussetzungen – Gratulation!

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2012