Gundi Dietz

Bildende Kunst

Subtile Kunst aus Porzellan

Die künstlerische Arbeit von Gundi Dietz einzustufen oder zu klassifizieren ist schwierig; auch ihren Werdegang dafür heranzuziehen, nämlich Studien an der Modeschule und der Hochschule für angewandte Kunst (keramische Plastik bei Professor Leinfellner) hilft nicht viel weiter. Sind nämlich diese Studienrichtungen durchaus angewandt zu verstehen (etwa als Modeentwerferin, Schneiderin, Modistin, bzw. als Designer von Gebrauchsgegenständen wie Vasen, Schalen usw.), so geht die Gestaltung von Gundi Dietz weit über den angewandten oder „kunstgewerblichen“ Bereich hinaus und wird zum selbständigen Kunstwerk. Besucht man die Künstlerin in dem „Haus in der Wiese“, einer ehemaligen Garage ihres elterlichen Wohnsitzes in der Hinterbrühl gleich oberhalb des Kinderdorfes oder in der Wehrgasse im 5. Wiener Bezirk, wo sie ihre beiden Werkstätten-Ateliers hat, mit Brennofen und allen technischen Einrichtungen, bekommt man erst einen Eindruck von der Breite ihres künstlerischen Schaffens. Vor allem ahnt man auch etwas von den zahlreichen Experimenten, die ihrer Arbeit vorausgegangen sein müssen. Wer hat etwa vor ihr schon versucht, zarte Spitzen oder Tüll in fast flüssiges Porzellan zu tauchen, damit kleine Porzellanfiguren zu bekleiden und sie im Brennofen zu brennen? Auch andere Materialien wie Metall, Plastik, Glas versteht sie zusammen mit Porzellan zu verarbeiten. Gundi Dietz‘ „Puppenzeit“ ist zwar vorüber, in der sie winzige Porzellanpuppen herstellte, zum Teil mit beweglichen Gliedmaßen, doch jede verschieden von der anderen („so einfach zum Gernehaben“); doch sie gestaltet noch immer puppenartige Figürlein, immer Frauen und jede eine eigene Individualität. – Moderne Nippes? Gundi Dietz verwahrt sich entschieden gegen eine solche Bezeichnung. Oft sind es verletzte, einbandagierte oder verschnürte Porzellankörper, manche haben keinen Kopf, manche liegen an einen Sitz gefesselt, und immer haben sie voher geschneiderte Porzellankleider an. Eine sitzende Porzellanfrau ist mit Nadeln bespickt wie bei der Akupunktur, eine andere Porzellanfrau ist aufgeschlitzt und mit einem Zippverschluß zum Zumachen versehen. Ausdruck der Unfreiheit der Frau?- Gundi Dietz ist keine Frauenrechtlerin. Aber die freie Plastik kennt eben keine Grenzen, alles ist offen und nicht festlegbar und ihre Phantasie, wie sich zeigt, eben auch nicht. Es ist ihr damit gelungen, etwas ganz Neues, noch nie Dagewesenes in Porzellan auszudrücken. Denn niemand hat sich bisher in einer solchen Form mit dem uralten Material aus Kaolinerde, Feldspat und Quarz auseinandergesetzt. Freilich kennt man ähnliche Symbole aus der Malerei der Gegenwart, nicht zuletzt bei dem Amerikaner Andy Warhol oder auch bei uns, etwa von dem umstrittenen Helnwein. Doch der gelernten Modeschöpferin und Keramikerin, aus denen sich die Porzellanplastikerin entwickelt hat, gelang es, mit ihren verletzlichen Frauenfiguren („die Verletzbarkeit liegt in der Zeit“), etwas ganz Elitäres zu schaffen. Nicht zu übersehen ist auch die Farbigkeit der Figuren, die einerseits sehr zart ist, andererseits ebenso Symbolkraft hat. Neben Schachteln voll kleinen, modellierten Porzellanköpfen, Armen und Beinen, aus denen Gundi Dietz noch immer bewegliche Figuren zusammensetzt, sieht man im Atelier auch Objektkunst und daneben Gebrauchsgegenstände, Teller, Löffel, lustige Porzellanknöpfe und große Porträtköpfe nach Auftrag (,,aber nur, wenn ich denjenigen mag“), oder Teile für einen Kachelofen. Leider ist kein einziges ihrer früheren großen bunten Keramik-Phantasietiere zu sehen, mit denen sie sich erstmals einen Namen gemacht hatte. Die recht lebenstüchtige Künstlerin (Jahrgang 1942, geboren in Wien) versteht es, ihre extravaganten Kreationen an ein extravagantes Publikum zu bringen. Sie hat in wichtigen Galerien ausgestellt, darunter in Paris, London, Kassel, in Italien, Holland und bei Tiffany in New York. Natürlich mehrfach in Wien. Zahlreiche Prominente zählen zu ihren Sammlern. Allerdings hat Gundi Dietz nicht vergessen, daß 1975 ihre erste Personalausstellung im Niederösterreichischen Landesmuseum stattgefunden hat.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1982