Noch stählt mein Herz der Widerstand
Hannes Weinberger ist ein junger Lyriker, der seinen ersten Gedichtband selbst herausgebracht hat. Zu zeitraubend und würdelos war ihm die Verlagstour, die sonst jeder Schriftsteller hinter sich bringen muss.
Dieser „Sehnsucht durch das Leben“ benannte Band hat zwei Einleitungen aufzuweisen, deren er eigentlich gar nicht bedurft hätte, so augenscheinlich ist seine Qualität, für den, der zu lesen versteht. Mühelos umspannt seine Sprache verschiedene Probleme unserer Zeit, für die er verschiedene Lösungen bereithält: Ein Weg dazu ist das Erkennen der Dinge hinter den Wörtern. Das Abstreifen von Maske und Kothurn – ein Symbol für die Entblößung des Herzens, um damit spüren und fühlen zu können. Ein anderes Mal ruft der Dichter dazu auf, stets neu zu beginnen und alte Bahnen zu verlassen und abgebrauchte Worte zu vermeiden.
So ist auch ,,Priscianus zum Trotz“ zu verstehen, in dem er sich gegen die Regeln der Sprache auflehnt und zum Misstrauen gegen die Sprache aufruft. Diese Grundhaltung des Dichters gipfelt schließlich in dem Schlussteil des ersten Bandes: „Stumm bin ich geworden“. Solchen Sprachbetrachtungen sind Selbstbetrachtungen ganz nah.
So beklagt er die Einsamkeit des Schriftstellers und das Desinteresse derer, für die er seine Ideen ausbreitet. Sensibilisiert schildert er die Nöte der Umwelt, der Seele, das hilflose Treiben in der Wortlosigkeit und ruft zur Nichtaufgabe auf. Auf der anderen Seite flüchtet er sich gerne in das Ewige Wort, taucht in der Dämmerung in die Märchenwelt ein. Sein rastloses Suchen, seine Träume, seine Sehnsucht reichen nur bis zum Tod. Daran schließen Klagen um die rasch vergehende Zeit und die Unfreiheit, die für die Eisblumen durch Wärme zu Ende ist. Die unheilvollen Auswirkungen der alltäglichen Technokraten Sprache lässt den Schriftsteller an ihrer Eigenständigkeit und an der Unabänderlichkeit des Lebens zweifeln. Es bleibt die Hoffnung an das Unglaubliche, an tiefe Gedankenwelten. Und an die Sehnsucht.
In seinem zweiten Gedichtband, der im Frühjahr 1992 erscheinen wird, setzt Weinberger seine Klage fort. Er spricht von der Enge der Zeit, die keinen Freiraum mehr für die Gefühle lässt; die schnell gelebten, vertanen Jahre, die einem erst dann abgehen, wenn es bereits zu spät ist. Er erweitert seinen Themenkreis aber auch um Stimmungsbilder, unter denen eines den Bildern Edward Hoppers gleicht; um das Mitleid mit den Außenseitern der Gesellschaft, mit den Behinderten und den misshandelten Kindern. Er geht auch auf politische Ereignisse ein und bedauert das Entlassen des Ostens in eine falsche Freiheit.
Und er ist weiterhin auf der Suche nach persönlicher Freiheit. Er greift auch das Schluss Thema des ersten Bandes noch einmal auf und stellt dazu fest, daß seine unausgesprochenen Ideen weiterreichen als seine Tage zählen. Wieder schreibt er Gedichte auf den Nordwald und bereichert den Band um Gedichte an seine Geliebte Amaryllis, bevor er mit den Strophen ,,Ein Letztes“ endet:
„Die Angst wird immer weiter Fluchtwege engen ein Nach stählt mein Herz der Widerstand“
Hannes Weinberger wurde am 8. 7. 1953 in Wien geboren. Nach dem Besuch der Pflichtschule schloss er die Schriftsetzer Lehre ab. Danach Gebrauchsgraphikausbildung an der Graphischen und Kunstschule. Seit 1980 ist er als Graphiker in einem Druckerei-Verlag tätig. Ab 1983 hat er seinen Wohnsitz in Hollabrunn. Er schreibt Lyrik und veröffentlicht in Kulturzeitschriften und Anthologien. Sein erstes Buch „Sehnsucht durch das Leben“ erschien 1988. Seit 1990 ist er Mitglied der Autorenvereinigung „Podium“.