Ein Meister des Absurden
Er ist der erste österreichische Dramatiker seit Grillparzer, der in Bulgarien aufgeführt wurde und wird. Nicht nur aufgeführt, sondern regelrecht gefeiert: Hans Krendlesberger, 57, ist einer der bedeutendsten Dramatiker der Gegenwart. Seine Stücke, darunter Meisterdramen wie „Die Aufgabe“, „Die Monstren“, „Das Interview“, „Die Frage“ wurden in neun Ländern aufgeführt und in viele Sprachen übersetzt. „Das Interview“ erlebte in Europa neun Fernsehausstrahlungen und wurde von mehr als 50 Millionen Menschen gesehen. „Die Aufgabe“ wurde von rund dreißig Bühnen in Paris, Frankfurt, Krakau, Sofia, Zagreb und Bonn gespielt. In Wien stand es bisher an drei verschiedenen Bühnen auf dem Spielplan. Hans Krendlesberger, den ein Kritiker einmal den ,, Ionesco aus Linz“ (damals lebte Hans Krendlesberger noch in der oberösterreichischen Hauptstadt) nannte, wird von Theaterfachleuten immer wieder als Protagonist des absurden Theaters bezeichnet. Eine Klassifizierung, die zwar schmeichelhaft, aber nicht auf alle seine Stücke zutreffend ist. „Ich nehme meine Stoffe aus der Realität, ich schreibe über Dinge und Erfahrungen, die ich erlebt und beobachtet habe und stelle sie erst dann in einen anderen Raum, sozusagen auf eine andere, symbolische Ebene.“
In seinen Stücken geht es um die scheinbare Sinnlosigkeit der Existenz, um scheinbar sinnlose Handlungen, die nur dazu da sind und ausgeführt werden, um zu überleben. Absurdität und Surrealismus sind nichts an-deres als Schutzmechanismen. „Das Interview“ wurde 1973 am Stary Teatr, der besten Bühne Polens, uraufgeführt, wo es 93 Aufführungen erlebte. Die deutschsprachige Bühnenerstaufführung fand 1975 bei den Bregenzer Festspielen in den Bühnenbildern Leherbs statt. Ebenfalls 1975 wurde es in Bulgarien als bestes Fernsehspiel des Jahres preisgekrönt. Hans Krendlesberger erhielt 1979 für „Das Interview“ den Staatspreis für Fernsehspiel in Österreich.Hans Krendlesberger ist Niederösterreicher. Er wurde 1925 in Scheibbs als Sohn eines Schuldirektors geboren. „Literatur hat mich schon in meiner Kindheit interessiert. Mit zwölf Jahren habe ich von meiner Mutter die Gesamtausgabe von Shakespeares Werken geschenkt bekommen. Ich habe damals alle Stücke geradezu verschlungen …“
An Niederösterreich – an seine Kindheit in Niederösterreich – erinnert sich der Autor heute noch gerne: ,,Ich hatte eine schöne, unbeschwerte Jugend. Alles änderte sich, als Hitler kam. Hitler war sozusagen der erste große Stachel in meinem Leben. Er hat meine Jugend ruiniert.“ Krendlesberger wurde mit 16 in ein Wehrertüchtigungslager geschickt, mit 17 war er beim „Reichs-arbeitsdienst“ und mit 18 an der Front. 1945 geriet er in Italien in englische Kriegsgefangenschaft, aus der er nach Wien zurückkehrte, wo er zunächst Jus und dann Theaterwissenschaft studierte. Seine Dissertation über das ,,Theater der Vereinigten Staaten“ öffnete ihm den Weg zum Rundfunk. 1950 engagierte ihn die Sen-dergruppe ,,Rot-Weiß-Rot“ und betraute ihn im Studio Linz mit dem Aufbau der Hörspiel- und Literaturabteilung.
Krendlesberger machte sich bald einen ausgezeichneten Namen als Hörspielregisseur. Auf Grund seines Bühnenerfolges wurde er 1966 nach Wien zum Fern-sehen berufen, wo man ihn als Dramaturgen einsetzte. 1968 kehrte Krendlesberger als Regisseur der Programmdirektion zum Hörfunk zurück. Seit 1975 ist er der Leiter für Literatur und Hörspiel und für das Literaturprogramm von ö 1 verantwortlich. Er hat in 32 Jahren im Rundfunk 1200 Hörspiele inszeniert. 1980 bekam das von ihm inszenierte Hörspiel ,,Die Überflutung“ von
Gert Hofmann den begehrten Preis der RAi beim Prix Italia, den größten Rundfunkpreis der Welt.
Mit der schriftstellerischen Tätigkeit hat Hans Krendlesberger erst relativ spät begonnen: ,,Da war einfach immer der Beruf. Ich hatte einmal, als wir vom österreichischen Rundfunk übernommen wurden, 120 Sen-dungen im Monat zu machen, darunter 8 Hörspiele … “ 1966 wird das erste Bühnenstück von Hans Krendlesberger uraufgeführt: „Die Aufgabe“ im Kleinen Haus des Theaters in der Josefstadt. Ein Stück, das typisch ist für die Weitsicht, für die kritische Grundhaltung des Autors. Zwei Sekretärinnen haben die ,,Aufgabe“, Kondolenzschreiben für den jeweils verstorbenen Präsidenten eines großen Landes zu schreiben. Eine Aufgabe ohne Sinn und ohne Ende, denn immer wieder stirbt ein Präsident. Die Sinnlosigkeit einer sinnentleerten Welt, die Sinnlosigkeit von Tätigkeiten, die zum Selbstritual erstarren. Hans Krendlesberger hat hier mit minutiöser Genauigkeit Leerlaufprozesse in unserer Gesellschaft aufgedeckt und gleichzeitig die Psyche von zwei Men-schen entlarvt: ihre Machtprobleme und ihre erotischen Probleme. ,,Die Aufgabe“ war ein voller Erfolg und begründete die Karriere des Dramatikers Hans Krendlesberger. Zwei Jahre später kam – ebenfalls im Kleinen Haus des Theaters in der Josefstadt – „Die Frage“ heraus, dann die ,,Monstren“ in Hannover am Staatsschauspiel, ein Drama, in welchem sich Krendlesberger als ein Autor erweist, der die jüngste Vergangenheit, besser gesagt, die Verdrängung dieser Vergangenheit zu behandeln versteht, indem er sie analysiert und Macht- und Gewaltmechanismen aufdeckt. Auf ,,Das Interview“ folgte die absurde Farce ,,Das
Bett“, die in Veit Rel ins Torturmtheater bei Würzburg 72 Aufführungen und in Bulgarien Serien erlebte.Krendlesberger hat soeben vier Einakter beendet, die von einer großen englischen Agentur angenommen wurden: „Das italienische Frühstück“, so der Sammeltitel der Einakter, zeigt den perfekten Theaterhandwerker Krendlesberger. Den präzisen, Dramaturgen, der mit der Sprache spielerisch umzugehen vermag, der weiß, wie Pointen vorzubereiten und dann zu setzen sind, für den Theater neben seiner kritisch-aufklärerischen Funktion
auch Unterhaltung ist.
Ich schreibe sicherlich über meine Erfahrungen, über das, was ich erlebt habe, was mir wichtig erscheint. Doch die kreative Arbeit setzt in dem Moment ein, da man eine Botschaft auf eine andere Ebene transpor-tieren will. Da aus der Realität, aus der subjektiv er-lebten Realität Symbol wird: eine Überrealität, wie sie ja das absurde Theater und der Surrealismus ist“.Hans Krendlesberger sind diese Übertragungen von Erlebnissen auf Bedeutungsebenen gelungen. Und das ist viel. Weil es kaum einem anderen Dramatiker der Gegenwart derart bruchlos gelungen ist.
Hans Krendlesberger ist Präsident des Osterreichischen Schriftsteilerverbandes, Vorstandsmitglied des österreichischen PEN-Clubs und Vorstandsmitglied der Gesellschaft der Filmfreunde Österreichs.Er wurde 1967 mit dem Förderungspreis der Stadt Wien,
1969 mit dem Staatspreis für Fernsehspiel, 1972 mit dem Kulturförderungspreis des Landes Niederösterreich für besondere Leistungen auf dem Gebiete der Dichtkunst und 1975 mit dem Ersten Preis für Literatur aus dem österreichischen Kunstfonds ausgezeichnet. 1981 wurde ihm das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen, 1982 die Jubiläumsmedaille „1300 Jahre Bulgarien“.Er ist Dr. phil. und Prof. h. c.