Hans Ströbitzer

Erwachsenenbildung
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Ein Publizist als Gesinnungstäter

Die «Verniederösterreicherung» der gesamten Alpenrepublik geriet in jüngster Zeit zum veritablen Trauma des Politfeuilletons der «Reichs- und Residenzstadt». Interessant, dass dieses «verbum horribile» unbekannt war, als die Geschicke Österreichs in Händen eines Raab (St.Pölten), Figl (Tullnerfeld), Renner (Gloggnitz), Benya (Annaberg) oder auch Kardinal König (Pielachtal) lagen.
Mit dem diesjährigen Träger des Würdigungspreises für Erwachsenenbildung, Hans Ströbitzer, wird ein Mann geehrt, dem «Verniederösterreicherung» zum Lebenswerk wurde: allerdings jene des Lands zwischen Enns und Leitha, des früheren Lands «rund um Wien».
Von Strengberg aus, wo Hans Ströbitzer 1930 das Licht des Mostviertels erblickte, hat man einen guten Überblick über das alte Ostarrichi. Da wird einem auch einiges in die Wiege gelegt an Bodenhaftung, Nachhaltigkeit, Kraft der Stille. Dass er nicht den elterlichen Hof übernehmen musste, war gut so. Niemand könnte sich Hans Ströbitzer als Rossbändiger oder Mostbaron vorstellen. Er, dem die Katholische Jugend Weg in die Erwachsenenbildung (und wohl auch in die Publizistik) war, erwies sich als österreichweit geachteter Journalist weniger als schillernde Edelfeder, denn als «Pater et Magister. Als leiser, geduldiger, wenn auch nie strategiefreier Netzwerker öffentlicher Meinung auf Basis tiefer persönlicher Überzeugung.
Von 1964 bis 1995 war er Chefredakteur der NÖN, die er als «Spiritus rector»mit einigen Freunden von einer Gruppe disperser Bezirksblättchen mit 90.000 Leser(inne)n auf stattliche 600.000 Leser(innen) und damit zur «Landeszeitung» pushte. Parallel dazu hatte Ströbitzer über 17 Jahre seinen wöchentlichen Kommentar in Radio Niederösterreich. Sein persönlicher Marktanteil an veröffentlichter Meinung war durchaus eindrucksvoll.
Daneben leitete er viele Jahre Österreichs führende Journalisten-Fachzeitschrift im Kontakt mit Gewerkschafter Günther Nenning und den PublizistikInstituten der Universitäten in Wien wie Salzburg. Und noch heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinen ersten journalistischen Gehversuchen, vergeht kaum eine Woche ohne «Ströbitzer-Kolumne» in welchem Periodikum auch immer.
Natürlich ist es inzwischen zunehmend die Retrospektive, das Bemühen, «den Heutigen» Geschichte als oft zu wenig bewusste Komponente unserer Lebenswirklichkeit nahe zu bringen, die Hans Ströbitzer an den Computer fesselt. Die Christliche Soziallehre, das Genossenschaftswesen, Wesen und Wandel der Gewerkschaften, Sidesteps in Richtung Naturwissenschaften und Kulturgeschichte, die Stadt St. Pölten – sie sind die Themengebiete, die Hans Ströbitzer als Autor faszinieren.
Und deutlich vor allem anderen das Bundesland Niederösterreich an sich! Seine Geschichte und Gegenwart. Niederösterreich ist Hans Ströbitzers Lebensthema. Er, der in seiner Jugend Ostarrichi gewissermaßen vor Augen hatte, die Ambivalenz der heimatlichen Positionierung «zwischen Linz und Wien» erlebte, der als junger Journalist zum «Löwingertag», dem amtsintern salopp so bezeichneten wöchentlichen Sprechtag der Niederösterreichischen Landesregierung, in die noble Wiener Herrengasse zu pilgern hatte, er wusste einfach, dass sich was ändern müsse. Niederösterreich war für Ströbitzer eben mehr als nur das Land rund um Wien. Und Niederösterreich brauchte natürlich auch eine eigene Hauptstadt!
Ehre, wem Ehre gebührt. Jetzt, nach 25 Jahren, stehen zu Recht jene Politiker im Mittelpunkt von Dank und Anerkennung, die das Thema einer eigenen Landeshauptstadt dann endlich mutig in die Hand genommen haben. Sie sind die Väter der Landeshauptstadt. Großvater ist allerdings Hans Ströbitzer, der schon Jahre vorher dieses Thema unerschütterlich vorantrug. Und der auch nicht davor zurück schreckte, die ihm zur Verfügung stehenden publizistischen Instrumente entsprechend einzusetzen.
Achzehn Bücher hat Hans Ströbitzer inzwischen als Autor oder Herausgeber das Leben geschenkt, das Neunzehnte ist für den Residenz Verlag in Arbeit. Aber Goethe musste ja schließlich auch erst 81 werden, bis er mit seinem «Faust» zurande kam.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2011