Harry Pepl

Musik

Spontane Klangerlebnisse

Harry Pepl irgendwo musikalisch einzuordnen, fällt schwer und ist, genaugenommen, auch nicht notwendig. Denn wer ein wirklicher Musiker ist, der fühlt sich in allen Bereichen und Stilen zu Hause.
Genauso ist es auch mit Harry Pepl, dem nunmehr bereits seit einem Jahrzehnt an der Grazer Musikhochschule als Professor lehrenden Jazzgitarristen, der mittlerweile auch zu den gesuchten E-Musik-Komponisten zählt. Gerade ist er dabei, ein neues Stück für das weltberühmte Kronos Quartett, das noch diesen Herbst in Graz aus der Taufe gehoben werden soll, fertigzustellen. Ein weiteres soll demnächst für das so junge wie hochkarätige Wiener Artis-Quartett entstehen. Bereits mit Erfolg aufgeführt wurden Pepl-Kompositionen vom ,,Ensemble Kontrapunkte“ unter Peter Keuschnig sowie dem gleichfalls hauptsächlich aus Mitgliedern der Wiener Philharmoniker zusammengesetzten ,,Ensemble Wien“.
Pepl, und darüber lässt er auch in diesem Gespräch keinen Zweifel, ist ein Musiker des Augenblicks. Deshalb ist er auch stolz, seit zwei Jahren auf eine Kompositionsmethode greifen zu können, die er für sich selbst entwickelt hat. Ernennt dieses Verfahren ,,Instant“ – oder „Realtime-Composing“. Was sich dahinter versteckt? Nun, Pepl spielt die ihm eben in den Sinn gekommenen Stimmen per Gitarre oder Keyboard einem Computer zu und erhält von diesem unverzüglich den entsprechenden Notenausdruck. Die Komposition liegt damit fertiggestellt vor, bestenfalls wird da und dort noch die Verteilung der einzelnen Stimmen korrigiert.
Undenkbar, sinniert Pepl, wenn Mozart schon eine solche Computerkompositionsmethode zur Verfügung gestanden wäre, um wie viel mehr hätte er in seinem kurzen Leben noch schaffen können. Mozart zählt übrigens auch zu den Komponisten, die Pepl am meisten schätzt. Nicht minder angetan ist er aber auch von den Klavierkompositionen Schönbergs und dem Schaffen des erst vor wenigen Jahren für eine breitere Öffentlichkeit entdeckten Giacinta Scelsi, zumal dieser ebenfalls aus dem Augenblickserlebnis komponiert hat und hier zu überaus aufregenden Klangschöpfungen gekommen ist. Fasziniert zeigt sich Pepl auch von dem kanadischen Meisterpianisten Glenn Gould, dessen rhythmische Prägnanz es ihm besonders angetan hat. Eben erst, erzählt Pepl, hat er eine Bach-Einspielung von Glenn Gould unter diesem Aspekt auf seinem Computer analysiert. Das Erstaunliche: auch mit Hilfe heutiger Computertechnologie ist es nicht möglich, mit Goulds rhythmischer Präzision zu konkurrieren.
Geboren wurde Harry Pepl 1945 in Wien, wo er auch die Schulen besuchte. Anschließend begann er eine Beamtenlaufbahn, die er schon nach zwei Jahren abbrach, um sich künftig aus schließlich einer Musikerkarriere widmen zu können. Pepls damaliges Bedürfnis war es, in einer Kommerzband als Gitarrist mitzuwirken. Bald wurde Pepl, der als Kind mit dem Akkordeon begonnen hatte, dann Klavierunterricht erhielt und sich schließlich zur Gitarre wandte, diese Tätigkeit bei den „„Austrian Evergreen“, wie diese Musikerformation hieß, zu eintönig. Auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung aber musste er fünf Jahr lang durchhalten. Diese Zeit nützte er, um sich auf der Gitarre weiterzubilden. Immerhin hatte er parallel zu seiner Beamtentätigkeit auch durch zwei Jahre die Gitarrenklasse an der Wiener Musikhochschule bei Professor Karl Scheit besucht und sich mittlerweile zum Ziel gesetzt, in einer hochkarätigen Jazz-Formation mitzuwirken, um so einen weiteren Aspekt gitarristischer Aktivität kennenzulernen.
Vorerst wurde es mit diesem Plan aber nichts. Denn kaum hatte er das Kommerzgeschäft hinter sich gebracht, verdingte sich Pepl in Gerhard Bronners heute längst legendärer ,,Fledermaus“-Bar. Dazu inskribierte er noch Jazzgitarre am Konservatorium der Stadt Wien, um sich weitere Voraussetzungen für sein Jazz-Ziel zu erarbeiten.
Nach zwei Jahren „Fledermaus“ war es endlich so weit: Pepl wurde in die ORF-Big-Band engagiert und musizierte damit unter so bekannten Größen wie Karel Krautgartner, Erich Kleinschuster, Ernst Kugler und Richard Österreicher. Bald in der Jazz-Branche ein Begriff, lud man Pepl dann Mitte der siebziger Jahre ein, Jazzgitarre an der Grazer Musikhochschule zu unterrichten, woraus mittlerweile eine Professur wurde.
Nun ging es Schlag auf Schlag: Benny Goodman lud Pepl für den Soundtrack zum Film „Fantasma d’Armore“ ein, Pepl selbst tat sich mit seinem Vibraphon spielenden Komponistenkollegen Werner Pirchner zum JAZZWIO zusammen und gastierte bei den renommierten Festivals zeitgenössischer Musik. Daran schlossen sich, stets mit allerersten Jazz-Größen, mehrere Tourneen durch Europa und eine Vielzahl von Schallplattenaufnahmen, die mehrfach mit dem renommierten ,,Preis der deutschen Schallplattenkritik“ ausgezeichnet wurden.
Selbstredend, dass sich dazu auch noch Produktionen für eine Reihe von Rundfunkanstalten hinzugesellten.
Und, nicht zu vergessen, mehrere Auszeichnungen. So etwa ist Pepl mehrmaliger Gewinner des Reader’s Poll des Jazz Live-Magazin, und ihn hat die führende französische Zeitung ,,Le Monde“ taxfrei zum „Gigant der Improvisation“ gekürt.
Bleibt die Frage, in welche Richtung Pepl künftig arbeiten will. Sie ist rasch beantwortet. Nämlich dahin, daß er selbstverständlich auch in Zukunft seinen Pädagogischen wie aktiven Jazz-Aufgaben treu bleiben, darüber hinaus sich aber in verstärktem Ausmaß der Komposition widmen will. Immerhin sprüht er nur so von musikalischen Ideen, und mit Hilfe seines Computers ist es ja möglich, sie in allerkürzester Zeit zu Papier zu bringen. Verständlich, daß sich Pepl wünschte, daß all seine neuen Schöpfungen dann auch so rasch aufgeführt werden könnten.
Aber welcher Komponist wollte nicht seine Arbeiten schon unverzüglich nach ihrer Fertigstellung realisiert sehen?

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1991