Harry Pepl

Musik

Bewusster Grenzgänger

Grenzen ausloten war offensichtlich immer schon sein Bestreben. Und sichtlich war es ihm bereits in die Wiege gelegt. Sein Vater war ein Jazz-Fan, und vermutlich, formuliert es Harry Pepl, hat er als Baby „dauernd Countie Basie und so gehört.“ Bei seiner Tante, wo der 1945 in Wien Geborene aufgewachsen ist, wurde er tagsüber ausschließlich mit Opernmelodien, die er dann am Akkordeon nachspielte, konfrontiert. Seine Großmutter wiederum, erinnert er sich, „hat Schrammellieder“ gehört.
Trotz dieser vielfachen musikalischen Einflüsse versuchte sich Pepl vorerst einmal als Beamter, wovon er sich freilich bereits nach zwei Jahren löste, um sich seitdem ausschließlich auf die Musik zu konzentrieren. Erst einmal begann er, nachdem er immerhin zwei Jahre an der Wiener Musikhochschule beim Wiener Gitarrepapst Karl Scheit studiert hatte, als Gitarrist in einer Band. Sie hieß „Austrian Evergreen“, war ganz auf Kommerz ausgerichtet und zwang Pepl vertragsmäßig zu einer fünfjährigen Tätigkeit, während der sein Wunsch, es einmal in einer klassischen Jazz-Formation zu versuchen, immer eindringlicher wurde. Vorerst blieb dies aber unerfüllt-denn erst einmal lockte Gerhard Bronners längst legendäre „Fledermaus“-Bar, was Pepl aber immerhin auch die nötige Zeit offerierte, um am Konservatorium der Stadt Wien seine Jazz-Kenntnisse zu vervollkommnen.
Eine Mühe, die sich bald rechnete. Nach zwei Jahren in der „Fledermaus“ wünschte man sich Pepl in der ORF-Big Band, und wenig später rief auch schon die Musikhochschule in Graz nach ihm -zuerst als Lehrbeauftragter für Jazz-Gitarre, ab 1984 dann bis Mitte der neunziger Jahre als ordentlicher Professor für dieses Fach.
Pepl hatte, wie es so schön heißt, Karriere gemacht und hätte sich ganz auf diese Aufgaben konzentrieren können, hätten nicht weitere Aufgaben gelockt. Da war einmal Benny Goodman, der nach ihm für einen Film-Soundtrack verlangte, dann animierte ihn Werner Pirchner, der heute als Komponist bekannte Tiroler Vibraphonist, mit dem er ein rasch international gesuchtes Jazz-Zwio abgab, zum gemeinsamen Auftreten, und gab es bald kaum mehr eine Jazz-Größe von Rang, die nicht Lust verspürte, gemeinsam mit Pepl zu musizieren im Studio ebenso wie für den Rundfunk und auf Tourneen.
,,Ich bin ein Mensch der Gegensätze – oft sehr lustig und ironisch und dann wieder sehr traurig“ charakterisiert sich Pepl selbst. Eine Anmerkung, die man nicht nur aus seinem Spiel, sondern auch aus seinen Kompositionen erfahren kann. Denn auch das ist Harry Pepl. Und so, wie er als Interpret mit Vorliebe die ganze melodische und rhythmische Palette nutzt, wiedersetzter sich auch als Komponist bewusst jeder Einordnung. Was sich zum einen darin zeigt, dass er eine Kompositionsmethode entwickelt hat, wo er durch die Korresponenz einer von ihm erdachten Melodie mit einem Computer ein Werk kreiert, und zum anderen darin, dass er seine Kompositionen für so verschiedene Formationen schreibt wie dem auf Avantgarde spezialisierten Kronos Quartett oder dem philharmonisch durchsetzten Ensemble Kontrapunkte.
„Emotionen und Erinnerungen“ will Pepl mit seiner Musik dingfest machen, wobei er keinen Zweifel lässt, dass sein kreatives Interesse nicht auf die Vielfalt des Jazz allein konzentriert ist, sondern auch Mozart oder die Wiener Schule, und hier wiederum vor allem die Klavierkompositionen von Schoenberg, miteinschließt. Ein Anspruch, der ihn mittlerweile beinahe an die Grenzen seines eigenen Daseins geführt hat. Hat sich doch sein inneres Brennen für die Musik-und dies gleichermaßen als Interpret wie als stilistisch bewusst breit gefächerter Komponist – längst derart auf seinen Blutdruck geschlagen, dass dies zwei Gehirnschläge zur fatalen Folge hatte.
Eine gesundheitliche Krise, die auch für die Musik nicht ohne Auswirkungen blieb. Nicht nur, dass Pepl wieder seine Sprache zurückgewinnen musste, hatte er nach der zweiten Gehirnblutung „bei der Gitarre nur mehr den analytischen Blick auf Technik und Fingersätze.“ Weil ihm derart die Freiheit für dieses Instrument plötzlich und vor allem unvermutet abhandengekommen war, sattelte er auf das Klavier um. Improvisation heißt hier das Thema, das Harry Pepl, diesen musikalischen Grenzgänger, interessiert. Wohl auch, weil er am Instrument nicht übt und sich stattdessen ganz auf die plötzliche Inspiration verlässt. Zugute kommt ihm hier seine bisherige Erfahrung als Musiker, sein Experimentieren als Komponist und nunmehr seine Ambition, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Oder, wie er es nennt, die „totale Reduktion: ich setze mich hin und spiele nur Klavier, nichts sonst.“ Weil dies aber immer wieder auch vorn Augenblick abhängig ist, finden sich auch hier lyrisch-verträumte Werke ebenso wie aufbegehrend-virtuose-und damit erneut jene weiträumige Spannweite, die schon immer Pepls Oeuvre kennzeichnete.
Vielleicht ist aber auch das Klavier nur eine Zwischenstation-denn mittlerweile sucht sich Pepl seine musikalische Sprache auch auf dem Schlagwerk, wo ihm gleichfalls die Technik zweitrangig, der Ausdruck aber entscheidend ist. „Vielleicht swingt es einmal, und dann spiele ich einen Walzer“, träumt er und erinnert damit nebstbei, dass es wohl kein Zufall gewesen sein kann, dass er einst seine musikalische Karriere auch mit einer vital-sehnsüchtigen Weise eröffnet hat: am Akkordeon mit „Freut euch des Lebens“.
Eine Devise, von der ihn auch die gesundheitlichen Schläge nicht haben zurückhalten können. Denn auch wenn er weiß, dass sein inneres musikalisches Brennen mehr denn je seinen Blutdruck in die Höhe treibt – bis jetzt hat dies Pepl immer noch nicht abhalten können, sowohl sein umfassendes Wissen als Lehrer weiterzugeben als auch mit exzellenten Kollegen der unterschiedlichsten musikalischen Branche gemeinsam aufzutreten oder als Komponist nach individuell-erfüllten Wegen, die jegliche Trennung von E- und U-Musik verabscheuen, zu suchen. Ambitionen, für die er bereits 1991 mit einem blau-gelben Musik-Förderungspreis ausgezeichnet wurde und wofür er nunmehr den musikalischen Würdigungspreis zuerkannt erhielt.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1998