Heimo Erbse

Musik

…möglichst persönliche Aussage

Heimo Erbse wurde am 27. Februar 1924 in Rudolfstadt/Thüringen geboren. In seiner Selbstdarstellung ,,Ich über mich“ bemerkt der Komponist, daß er diese Stadt, iri der er aufwuchs und auch das Gymnasium besuchte, nie mit dem Begriff „Heimat“ in Einklang zu bringen vermochte. Den Sinn des Begriffes Heimat sollte er erst Jahrzehnte später an jenen Orten lernen, die er freiwillig zum Mittelpunkt seiner Lebensinteressen machte. Ein Grund für dieses gestörte Verhältnis zu seiner Geburtsstadt liegt sicherlich auch in den Schwierigkeiten mit einem allzu nationalsozialistischen Klassenlehrer, der Erbses schimpflichen Abgang aus derSchule zustande brachte, womit der ersehnte Zeitpunkt gekommen war, da sich der junge Mann ausschließlich einem Musikstudium zuwenden konnte. Erbse belegte an der Musikhochschule Weimar die Fächer Klavier, Flöte, Komposition und Musiktheorie. Dieser Traum endete im Herbst 1942 abrupt, als er zur Wehrmacht einberufen wurde. Erbse selbst bezeichnete sich nicht als Soldat, sondern er meinte ,, … eine unmilitärische Witzfigur ist wohl das bessere Wort…“. An der Rußlandfront holte er sich schwerste Kriegsverletzungen, eine Lähmung am Fuß ging zwar zurück, die Lähmung an der rechten Hand blieb jedoch, wodurch der geliebte Beruf als Musiker in weite Ferne gerückt schien. Dennoch kehrte er nach Weimar zurück und studierte Dirigieren und Opernregie. 1947 wurde er als Regieassistent an das Stadttheater Jena engagiert, wo er in Ermangelung eines Regisseurs sehr bald eigene Inszenierungen erarbeiten mußte. Seine erste Arbeit war ,,Die lustigen Weiber von Windsor“, gefolgt von „Rigoletto“ und „Die verkaufte Braut“. In der darauffolgenden Spielzeit als Regisseur in Sondershausen begann er wieder mit ,,Die lustigen Weiber von Windsor“ und ließ ,,Madame Butterfly“ und „La Traviata“ folgen. Im Herbst 1950 ereignete sich laut Heimo Erbse der ,,wichtigste Augenblick in meinem Leben“, als er dem Komponisten Boris Blacher begegnete. Nach anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten wurde Erbse Blachers Schüler in Berlin und somit Gottfried von Einems Nachfolger, als einer der erfolgreichsten Schüler des Komponisten. Im Herbst 1951 sch rieb er seine, seiner Meinung nach, ersten wesentlichen Kompositionen. Die ,,Sonate für zwei Klaviere“ machte ihn schlagartig international bekannt. Sein „Capriccio“ entstand für einen von Werner Egk ausgeschriebenen Wettbewerb und wurde von Egk auch in Darmstadt uraufgeführt. 1952 erhielt er einen Kompositionsauftrag für eine Kammeroper von den Berliner Festwochen. Die Uraufführung der ,,Fabel in C“ nach einem eigenen Text wurde ausgepfiffen. Inzwischen hatte sich der junge Mann dem Genre der Film- und Schauspielmusik zugewandt und war Hauskomponist bei Oscar Fritz Schuh am Kurfürsten-Damm-Theater. Die wichtigste Arbeit Erbses in dieser Zeit war die Oper ,,Julietta“ nach Heinrich von Kleists Novelle ,,Die Marquise nach O …“, deren Text er selbst schrieb. Erbse reichte diese Oper bei den Salzburger Festspielen ein, wo sie 1959 uraufgeführt wurde. Erbse schreibt zu dieser Uraufführung ,,Obwohl die Besetzung mit Rita Streich, Sieglinde Wagner, Elisabeth Hängen, Gerhard Stolze, Walter Berry und Alfred Jerger unter Antal Dorati großartig war, konnte und kann ich die schlechten Kritiken des Stückes nicht verstehen. Bis heute nicht. Ich hoffe sehr, daß auch dieses Stück demnächst auf CD erscheinen wird.“ 1957 hatte Heimo Erbse Berlin verlassen und mit dem Erlös diverser Preise ein Bauernhaus im Pinzgau, hoch auf den Bergen gelegen, gekauft und bezogen. Nun endlich hatte er einen Platz gefunden, den er als „Heimat“ zu bezeichnen bereit war. Hier in der Einsamkeit der Bergwelt entstanden einige Werke, die mehrere Preise, unter anderem den Beethoven-Preis der Stadt Bonn einbrachten. Als wichtigste Arbeit dieser Zeit nennt der Komponist die ,,Drei Chöre nach Texten von Nelly Sachs“, die zu Gedenken des Todes von Hanns-Martin Sch leyer in Esslingen uraufgeführt wurde. Bereits 1964 war Erbse österreichischer Staatsbürger geworden, 1973 erhielt er den Würdigungspreis für Musik des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, und 1985 verlieh ihm der Bundespräsident den Berufstitel „Professor“. Erbses Ballett „Ruth“ nach dem biblischen Vorwurf wurde im Jahr 1959 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt, auch seine 2. und 3. Symphonie erlebten ihre Uraufführungen in Wien. Die 4. und 5. Symphonie ruhen noch auf seinem Schreibtisch in Baden bei Wien, wo der Meister zum zweiten Mal eine Heimat gefunden hat. Nach einem schweren Bergunfall wurde er zur Rehabilitation in diese Stadt geschickt, wo er seinen Lebensabend verbringen will. Das Haus in Pinzgau hatte Erbse nach dem erwähnten Bergunfall aufgeben müssen. Heimo Erbses neue Heimat Baden verlieh ihm im Juli 1995 den Kulturpreis. Erbse lebt in Baden in aller Zurückgezogenheit seinem Alterswerk. Über seine stilistische Position schreibt der Komponist selbst: ,,Ich bin nicht der Meinung, daß ein Autor in jedem Stück um jeden Preis eine hundertprozentig neue Klangwelt zu zaubern versuchen muß, da ein solcher Weg ohne Umweltbeziehung in einen elfenbeinernen Turm führt und in einer modernistischen „Masche“ endet. Solche Stücke finden schließlich nur noch in den Nachtprogranimen des Rundfunks Platz. Ich glaube somit – besonders in klanglicher Hinsicht- nicht an eine zwingende Notwendigkeit einer Musik-Entwicklung im Sinne des vorigen Jahrhunderts bzw. im Sinne der Theorien Schönbergs. Forma le und rhythmische Durchführung sowie eine möglichst persönliche Aussage sind mir wichtiger als ein partout neuartiger Klangaufwand.“

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1996