Von Innen nach Außen
Die Entscheidung der Jury fiel diskussionslos und einstimmig. Ein Blick auf die eingereichten Werke der Künstlerin hatte zu einer stillen, als selbstverständlich empfundenen Meinungsbildung geführt. Nährboden der spontanen Bilder Wiesauer-Reiterers ist eine künstlerische Ehrlichkeit und Geradlinigkeit, die überzeugen muß. Jeder Schaffensakt verläuft als direkte Selbstentäußerung, jedesmal gibt die Künstlerin ein Stück von sich selbst, kehrt das Innerste nach Außen. Diese rückhaltlose, nicht spekulative Hingabe ist Voraussetzung, um die Auseinandersetzung mit Empfindungen, Seelenzuständen, inneren Welten und schließlich letzten Wahrheiten überhaupt darstellen zu können. Das zentrale Thema ist der Mensch in seiner Betroffenheit durch existentiale Wirklichkeiten. Im meditativen Widerspiel mit der Natur verselbständigen sich Empfindungsabläufe, die Wiesauer-Reiterer dann mittels eines adäquaten Farb- und Formenrepertoires nach außen, auf die Leinwand bringt. Eine spezifische feminine Sensibilität ermöglicht es der Künstlerin, die Thematik nicht auflehnend und aggressiv, sondern besinnlich und fast spirituell zu gestalten. Inhaltlich stehen die Arbeiten in einer auf das Mittelalter zurückzuführenden Tradition. Formal dürfen die Bilder Wiesauer-Reiterers durchaus als Symbolkunst angesprochen werden, die aus denselben historischen Wurzeln kommt. Ihre Ausdrucksmittel hat die Künstlerin stark reduziert. Anthropomorphe Wesen stehen als Formkürzel für Menschen, die an Kreuzen hängen oder allein und verloren einem unendlichen, existentialennur durch Farbe symbolisierten Wirkungsraum ausgesetzt sind, der ihre Körpersprache hervorruft. Dabei bedient sich Wiesauer-Reiterer vor allem gedämpfter Farben. Mitunter kräftiger, jedenfalls abstrakter sind ihre Landschaftsbilder“ ; freilich haben wir es auch hier nicht mit Abbildern, vielmehr mit Symbolen für innere Landschaften, mit Seinsbildern im Spiegel der Natur zu tun. Immer wieder versucht die Malerin in der Wissenschaft nicht zugängliche, transzendente Bereiche vorzudringen, die unser Dasein mehr bestimmen als die Alltagsrealität. Die Umsetzung emotional gewonnener Erkenntnisse in Farbe und Form, in einen „Gegenstand“, der durch unsere Sinne faßbar wird, das ist ihre Kunst. Heliane Wiesauer-Reiterers Bilder können dem sensiblen Betrachter zu sicheren Begleitern auf dem Weg in sein Innerstes werden. Das Land Niederösterreich hat der in Salzburg 1948 geborenen, heute in Almerberg bei St. Christophen lebenden Künstlerin nach dem Anerkennungspreis (1984) nun auch den Förderungspreis zuerkannt. Eine würdige Preisträgerin. Der von der Kritik mehrfach positiv vermerkte Bezug zu Maria Lassnig tut ihrer Eigenständigkeit keinen Abbruch. Die Niederösterreicherin Wiesauer-Reiterer hat die Kraft, einen ähnlichen internationalen Weg zu gehen wie die Kärntnerin.