Im Labyrinth des Daseins
Die erste Personalausstellung hatte Helmut Krumpel 1968als 27Jähriger in der Clubgalerie der Sezession. Seither ist erstündig in der Kunstszene präsent, hat zahlreiche Arbeiten für Kunst am Bau u. a, im Austria Center, aber auch in Schulen – geschaffen und stellt in gröleren und in kleineren Ausstellungen seine Arbeiten vor. 1984 z.B. im Frauenbad in Baden, die die vielleicht größte Übersicht über sein Schaffen bot, zuletzt 1993 eine kleine, aber sehr konsequent ausgewählte Präsentation in der Galerie des Kulturvereines Eichgraben.
Von Beginn seiner Arbeit an steht für Helmut Krumpel der Mensch im Mittelpunkt. Aber nicht die Figur als formale Voraussetzung ist gemeint, sonder der Mensch als geistiges und leibliches Individuum. Der Mensch in seiner Verstrickung, in seiner Verlorenheit und Einsamkeit, in seinen Zwängen und seinen Versuchen der Befreiung, aber auch der Mensch als Teil der Natur, des Universums. Krumpel stellt den Menschen nicht nur als zentrales Motiv in sein künstlerisches Tun, er beweist mit allen seinen Arbeiten sein Mitleiden, das zutiefst Betroffen sein am Schicksal des Menschen. Dabei interessiert ihn nicht das privat Biographische, sondern das Kosmische, die Eingebundenheit in den Kreislauf des Lebens, in die ewige Abhängigkeit von Chaos oder fremdbestimmter Ordnung, von Zerrissenheit und Abhängigkeit, unterbrochen nur von wenigen Momenten der Einheit mit sich und dem Kosmos, von seltenen Augenblicken des Glückes und des Friedens.
Die Suche nach der sehnsüchtig erwarteten Ruhe, dem inneren und äußeren Frieden, setzt bei Helmut Krumpel künstlerische Kräfte frei, die beunruhigen und irritieren. Er hält nicht nur seinen gemalten Menschen, sondern auch dem Betrachter seiner Bilder den Spiegel vor. Einen Spiegel, der nicht detailgetreu das wiedergibt, was vor ihm steht, sondern der selektiert und analysiert, der abstrahiert und verfremdet, der ein Bild im Bild ist. Eine Möglichkeit der Betrachtung wie aus einer anderen Welt, die aber keine literarische ist, wie bei Alice im Wunderland, auch keine bessere wie im Märchen. Es ist genau jenes Spiegelbild, das Krumpel seinen Menschen vorhält, das Antwort auf alle Fragen gibt, die er und das Leben stellt. Eine Antwort voller Verschlüsselung allerdings – voller Geheimnis, das zu enträtseln ist.
Krumpel leidet mit den Menschen und an der Menschheit, an ihrem nicht enden wollenden Machtkampf und ihren Mordgelüsten. Kriege, und seien sie noch so weit entfernt, belasten ihn als Tragödie nicht nur für die Betroffenen, sondern als untrügliches Zeichen für die Aporie des Lebens und des Seins. Das Davor und das Dahinter interessiert den Künstler, er sucht im Labyrinth des Daseins nach dem roten Faden, nach dem richtigen Weg, der aus all dem Desaster, aus all dem Leid und all der Traurigkeit hinausführt ins Licht.
Diese schmerzliche Weltsicht sucht Krumpel mit malerischen Mitteln aufzuzeigen und offenzulegen. Die Farbe und der Schwung des Pinsels sind sein Medium, seine Predigt ohne Worte, sein Manifest gegen das Böse und Zerstörerische, gegen Gleichgültigkeit und Hass. Seine Bilder sind nicht die Verheißung des Paradieses, oder die Sicht auf eine heile Welt, sie sind vielmehr Zeichen der Verkrustung und Versteinerung, aber immer auch liegt der Wunsch zugrunde, Ordnung zu schaffen. Eine Ordnung allerdings, die er sehr hoch ansetzt. Nicht im Bilderbuch einer Religion, aber dennoch im Göttlichen wenn es so etwas gibt. Und der Zweifel ist berechtigt. ob es eine göttliche Ordnung. eine göttliche Gerechtigkeit überhaupt gibt, wenn all das geschieht, was geschieht. Jenes Schlachten und Morden, jenes Zerstören von Lebenswelt und Lebensraum, jenes entsetzliche Einlösen des biblischen Auftrages. macht euch die Erde untertan“; welch grauenhaftes Missverständnis.
Der Himmel stürzt ein, das Paradies ist zerrissen, die Luft wird zu Kristallen, Denkmale stürzen ein und „ein Teil von mir fliegt davon“, wie ein Bild heißt. Der Betrachter gerät in einen Wirbel aus Farbe und Bewegung, aus Andeutungen und Einblicken. Er wird wie in einen Strudel gerissen, der ihn verändert wieder entlässt, wenn er sich auf die Bilderwelt Helmut Krumpels einlässt. Die Leidenschaft und Dynamik des Malers lässt kalte Betrachtung nicht zu und oberflächliches Kunst-small-talk. Krumpel zwingt zur Auseinandersetzung, und schmerzlich wird einem bewusst, wie wenig man in Wahrheit doch Anteil nimmt, wie sehr man sich abwendet und mit seinen eigenen Befindlichkeiten beschäftigt ist, wie wenig öffentliche Verantwortung man zu übernehmen bereit ist und wie man bei Kunst doch nur ein ästhetisches Vergnügen erwartet.
Kann Kunst also doch etwas bewegen? Bewusstsein schaffen? Erkenntnis vermitteln? Veränderungen bewirken? Vielleicht sind alle diese Fragen mit nein zu beantworten, aber, der Künstler selbst muss daran glauben, sonst kann er seinen Auftrag nicht erfüllen. Zu allen Zeiten hat der Künstler ins Bild gesetzt, was es zu sagen gab, er hat im Auftrag von Kirche und Herrschern elem Göttlichen wie dem Weltlichen ein Antlitz gegeben, und er hat Bilder geschaffen, die, so irreal sie waren, so abstrakt und fremd, zu Metaphern und Zeichen wurden, die dem Bedürfnis des Menschen nach Anschauung, auch des Unsichtbaren entsprachen. Daran hat sich nur geändert, dass der Künstler heute keine gesellschaftlichen Aufträge mehr erfüllt, sondern seine eigenen Gedanken zu Bildern werden lässt.
Der Zugang zur Kunst ist heute weniger naiv, er ist intellektuell geworden, bemüht weniger die Augen als den Verstand, und ohne Philosophie und Analyse kommt die Kunst heute kaum mehr aus. Auch hier ist Helmut Krumpel ein Einsamer, ein stiller, bescheidener Kämpfer, für ihn passiert die Kunst auf der Leinwand und im Herzen, und wenn er auch ein klarer Denker ist und sein Weltbild klug und überzeugend zu formulieren weil, so ist es doch vor allem das sinnliche Vergnügen der Darstellung seiner Gedanken, das dem ganzen Werk zugrunde liegt. Er ist vielleicht einer jener wenigen Künstler, der sich mit beinahe missionarischem Eifer der Apokalypse unserer Zeit zuwendet, sie nicht nur aufzeigt, sondern ihr Gestalt gibt, auf seine Weise, mit Farbe und Form. Krumpel irritiert, aber er schafft auch jene Faszination, die allemal von jenen Künstlern, von jenen Menschen, ausgeht, die ganz bei sich sind, die ihre Weltsicht glaubhaft machen und sich nicht modisch anpassen.
In den S0er Jahren hat man versucht, Helmut Krumpel in die Neue Malerei“ einzuordnen. Das ist genauso wenig gelungen, wie ihm gestischen oder erzählerischen Malstil zu unterstellen. Krumpel verweigert sich solchen vereinfachenden Zu- und Einordnungen. Er malt oder schafft Graphiken und Objekte nach seiner eigenen Ordnung, ohne auf Trends oder zeitgeistige Strömungen zu achten. Sein künstlerisches Prinzip kommt aus einer geistigen Haltung und nicht aus einer formalen Absicht.
Er bedient sich des Tafelbildes als jenes Mediums, das oft und oft totgesagt, immer noch ein wesentliches Maß einer menschlichen Kunst ist, einer humanen Kunst. So wie sich Helmut Krumpel den Menschen als geistigen Maßstab seiner Arbeit gewählt hat, so ist auch sein künstlerisches Maß ein menschliches. Dass solches Denken und Tun nicht dem derzeitigen Kunstanspruch entspricht, weiß der Künstler. Aber Krumpel entzieht sich ja nicht bewusst dem heutigen Kunstbetrieb, er bedauert es sogar, nicht ganz hineinzupassen. Aber er weil auch mit der Sicherheit des nach Wahrheit suchenden Künstlers, dass er seine Zeichen setzen muss, auch wenn sie nicht in die Zeit passen. Und er weiß auch, dass alle Zeichen, die je gesetzt worden sind, erkannt werden, wenn es an der Zeit ist.