Menschenstudien
«Eher um Unmöglichkeiten / geht es / um Isolation und Abhängigkeiten / die Unmöglichkeit / sich zu nähern / miteinander auszukommen / obwohl man einander braucht», sagt Helmut Peschina in einem Gedicht. Helmut Peschina brachte bisher, mindestens seit 1972, eine Vielzahl eigener Theaterstücke zur Uraufführung, des gleichen Fernsehspiele, Hörspiele und Hörspielbearbeitungen. Seine Buchver öffentlichungen und Hörbücher machen gesendete und aufgeführte Werke auch über den Buchhandel zugänglich. Er ist Heraus geber des lyrischen Werks von Alois Vogel und Editor von Schriften Joseph Roths. Die Bedeutung und Qualität seiner Werke nach erhaltenen Auszeichnungen zu reihen wäre oberflächlich und ungerecht. Als Minimum an Information sei der Hörspielpreis des ORF angeführt, den er 2002 für die Hörspielfassung von Elias Canettis «Die Blendung», 2005 für die Hörspiel fassung von Hans Leb erts «Die Wolfshaut» und die viel beachtete Bearbeitung von Heimito von Doderers «Die Strudlhof stiege» erhielt. Helmut Peschinas Figuren scheinen immer wieder an die Grenzen ihrer inneren Verfasstheit anzustoßen, bis der Autor sie durch eine Eskalation der Handlung aus den aufgebauten und verfestigten Selbsttäuschungen vertreibt und der Wahrheit ihrer Gefühle aussetzt. So wie Don Juan, der sich seine Unwiderstehlichkeit und betörende Wirkung auf Frauen – gegen jede Realität –vom Diener Jacques so lange immer wieder bestätigen lässt, bis dieser ihn erdrosselt. Oder Mutter und Tochter in «Rosa und Resi», die durch den Tod des Geliebten zur Wahrheit vorstoßen, in denselben Mann verliebt gewesen zu sein, sodass jede sich an der anderen rächen und sie überleben will. In «Fasslrutschen» kommt die Unfähigkeit vieler Menschen, Hilferufe ernst zu nehmen, zur Wirkung, sodass einer nach dem anderen den nicht ernst genommenen Hilferufen in die Unter welt hinterherkippt. Helmut Peschinas Figuren sind nicht von Haus aus monströs, sie hängen an Konventionen, am Eingelernten, Erlittenen und aneinander. Erst in der Eskalation, in die der Autor sie führt, im Sog der ständig verleugneten, kaschierten Gefühle nehmen auch Verzweiflungen, Rachewünsche, Egoismen, Grausamkeiten, Sprachgestalt und Stimme zu. In «Fasching und Vogelsang» will Fasching als Medienarbeiter im Streit mit dem Menschen Vogelsang, den er als Kunstfigur verwendet, diesen zwingen, sich den über ihn erfundenen Geschichten zu unterwerfen, was die Verleugnung seiner tatsächlichen Lebensgeschichte bedeuten würde. «Beenden Sie Ihre Story über mich, machen Sie Schluss damit!», verlangt Vogelsang, während Fasching triumphierend beteuert, dass er sogar über Vogelsangs Tod hinaus noch beliebige Geschichten über ihn erfinden könne. Damit stellte Helmut Peschina einen Grundkonflikt heutigen Schreibens dramatisch vor. Als ein Autor, der in und mit audiovisuellen Medien arbeitet und diese für die Entfaltung seiner Werke braucht, lässt er in Vogelsang einen zu Wort kommen, der sich nicht benutzen lassen will und für den der Verzicht auf die persönliche Wahrheit einer Zerstörung seiner Existenz gleichkäme. Die hier konkret angeführten Werke mögen als einzelne Beispiele gelten, die der enormen Vielfalt der Werke Helmut Peschinas keinesfalls gerecht werden können. Dass Helmut Peschina Editor von Schriften Joseph Roths ist, scheint in sinnfälliger Ähnlichkeit der Grundhaltung beider geschehen zu sein. Die einfühlsame, dabei nicht unkritische, oft bestürzend wirklichkeitsnahe Darstellung von Menschen aus unteren Schichten, ihrem Elend wie manchen elendigen Charak ter zügen ist weniger bestrebt, dem Publikum veritable Schocks und Ängste zu bescheren als vielmehr eine brüchige Mischung aus eingeübter Anpassung und unreflektierten, durchaus nicht nur destruktiven Gefühlen, in der sich selbst wiedererkennen kann, wer dazu bereit ist