Helmut Rainer

Medienkunst
Künstlerisches Video, Kunst im elektronischen Raum und die Grenzen von Fachdisziplinen überschreitende Kunst

Technologie mit Leichtigkeit integriert

Künstlerinnen und Künstler, die in ihren Werken technische Mittel einsetzen, sind gleich mehreren Problemen ausgesetzt. Diese sind auf der Ebene der ästhetischen wie inhaltlichen Vermittlung, die in dieser massiven Präsenz bei keinem klassischen, künstlerischen Medium zu finden sind: Maler, Bildhauer oder Zeichner kommen in der Regel nicht in die Verlegenheit, ihre Arbeitsmaterialien rechtfertigen zu müssen. Sie haben vielmehr mit Fragestellungen über Aktualität ihrer Arbeitsweisen zu kämpfen und müssen sich mehr oder weniger heftig gegen das Erbe des ausufernden und unüberschaubarem Kunstschaffens dieses Jahrhunderts zur Wehr setzen. In diesem Zusammenhang müssen Betrachterinnen und Betrachter von Medienkunst gleich die erste und größte Schwelle überwinden: eine kunstgeschichtlich noch wenig abgesicherte Ku nstri chtung als solche akzeptieren und anerkennen. Erst dann ist der Weg frei für eine inhaltlich adäquate Auseinandersetzung mit dem Werk, das auf jeden Fall mehr anzubieten hat, als bloß eine technologisch geprägte Oberflächenbestimmung. Und damit müssen auch die Künstler fertigwerden, zumal sehr viele von denen, die sich den Medien zuwenden, aus dem Bereich der Bildenden Kunst kommen und diese nicht zuletzt aus einem bewußten Akt der Loslösung zu verlassen trachten. Als Angehöriger der Generation nach Nam June Paik stellt sich Helmut Rainer die Frage nach kunstfähigen Materialien selbstbewußter und undogmatischer, als die Künstler der 60er und 70er Jahre. In der Ausstellung Junge Szene Wien 1987 zeigt er das „Videom“ und meint: „Das Videom ist Md eine Skulptur im Sinne des erweiterten Begriffs: Holz, Metall, Farbe plus das elektronische Medium Video. Am in die Skulptur integrierten Monitor wird das Konzept der dynamischen Veränderung von Bildstrukturen in direkter Form realisiert.“ Mit dieser Arbeit signalisiert Rainer sowohl seine bildhauerischen wie malerischen Intentionen, die ihn aber nicht davon abhalten, die Idee einer Arbeit so weit zu verfolgen, um vor den elektronischen Medien haltzumachen, wenn dessen Einsatz als notwendig und folgerichtig erscheint. Ab 1990 entsteht eine ganze Serie von Skulpturen unter dem Sammeltitel „Zyklop“. Neben den unterschiedlichsten Materialien wie Zinkblech, Holz oder Metallzwingen ist das zentrale Formelement ein Flüssigkristall-Monitor. Auch bei diesen Skulpturen liegt die Aufgabe des Monitors nicht darin, elektronische Abbildungen zu liefern, sondern erweitert den statischen, lichtreflektierenden Körper der Skulptur in den Bereich des selbsterzeugenden, dynamischen Lichtes. ,,So verschwindend gering der Monitor dimensioniert ist, bestimmt er das Wesen des ganzen Werkes und rückt es in einen völlig neuen Kontext, der mit konventioneller Bildhauerei kaum etwas zu tun hat. Das materielle Objekt gibt sich als ,Hardware‘, hinter deren technischer Präzision und industriellem Design man ein gewaltiges Energiepotential zu vermuten geneigt ist. Der Bildschirm fungiert als Ausgabeeinheit und macht den virtuellen Charakter des Kunstwerkes anschaulich.“1)Mit seiner jüngsten Serie von Skulpturen beweist Helmut Rainer nachdrücklich seine unerschütterliche Haltung, daß sich jedes Material selbsttätig und überzeugend vermittelt, wenn das zugrundeliegende Konzept selbst überzeugen kann. Die nervöse Frage nach materieller Beschaffenheit und deren Eingliederung durch das Katasteramt der Ästhetik ist buchstäblich eine andere Baustelle. Rainers Baustelle ist das Atelier, und was liegt ferner, als seinen Arbeitsanzug zur Skulptur zu erklären, zumal die physische Arbeit eines Künstlers nur den geringeren Teil der Werkentstehung kennzeichnet. Er meint dazu: ,,Einern von mir bei diversen Tätigkeiten im Atelier getragenen schwarzen, mit Arbeitsspuren versehenen Overall würde in die linke Brust(Herz)tasche ein kleiner LCD-Monitor implantiert. Bildschirm und Overall bilden eine unzertrennliche Einheit.“ Mit dem „Selbstportrait“ schafft Helmut Rainer eine präzise Selbstbeschreibung, ohne sich selbst zu beschreiben, er schafft ein Bild von sich, ohne sich abzubilden. Die Leichtigkeit, mit der er Technologie in seine Werke integriert, hebt ihn deutlich von anderen Medienkünstlern ab, die sich nicht selten in technische Sensationen verheddern und unfreiwillig von der Kunst verabschieden. Seine intelligente, grenzüberschreitende Arbeitsweise weist auf sein immenses kunstgeschichtliches Wissen hin. Und dieses Wissen hinderte Helmut Rainer nie daran, seine Kunst sehr nahe bei sich zu suchen. Er ist ein zeitgenössischer und vorausschauender Künstler, der das Finden von Werkzeugen und Mitteln dem eigenen Empfinden überträgt. Damit wird er sich auch in Zukunft seine künstlerische Freiheit bewahren können.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1996